Fernand Melgar, in ihrem erster längeren Dok-Film «Album de famille» porträtierten sie ihre Eltern, die als Gastarbeiter 30 Jahre in der Schweiz lebten und arbeiteten. Was erzählen Sie, wenn sie in einer geselligen Runde heute darauf zurück blicken?
Ich blicke mit diesem Film nicht in eine nostalgische Zeit zurück. Er fühlt sich nicht an wie ein altes Souvenir oder eine Erinnerung, über die man lächeln und Anekdoten erzählen könnte. Für mich ist der Film nach wie vor aktuell und gegenwärtig. Man kann Schwarzenbach mit Freysinger oder Blocher ersetzen. Nur die Namen haben sich verändert, das Umfeld für die Fremden in unserem Land ist gleich geblieben.
Die Aussagen ihrer Eltern im Film über ihre Schweizer Jahre sind sehr hart. Sie fühlten nur eine Leere. Glauben Sie nicht, dass sich inzwischen auch etwas verbessert hat?
Meine Eltern stehen stellvertretend für viele andere, die sich durch die Schwarzenbach-Initiative und die Art und Weise, wie sie behandelt wurden, sehr verletzt fühlten. Ich denke, dass die Situation für die Fremden heute noch schlimmer geworden ist. Man schafft sie aus und steckt sie in Gefängnisse wie Kriminelle.
Gerade bei einem Erstlingsfilm ist man nicht vor Fehlern gefeit. Welche prägenden Fehler haben Sie seitdem nie mehr gemacht?
Ich mache immer Fehler, bei jedem Film. Wenn es nicht so wäre, würde ich nicht filmen. Ich bin nie zufrieden mit einem Film. Aber das ist gerade der Motor, warum ich den nächsten mache. Ich liebe das Imperfekte. Es stachelt mich an, besser zu werden.
Wie gehen Sie um mit technischen Mängeln oder handwerklichen Unzulänglichkeiten, die einen Film beeinträchtigen können?
Es sind nie die technischen Sachen, die mich unzufrieden machen. Ich kümmere mich wenig darum, ob das Licht besser oder schlechter ist oder wie der Sound stimmt. Mich beschäftigt, ob ich wirklich das ausdrücken konnte, was ich wollte. Ist dieser Film tief und stark genug, damit ich andere Leute berühren kann? Das steht für mich immer im Vordergrund.
Wenn Sie ihren Debütfilm heute wieder sehen oder zeigen, sind Sie dann eher stolz darauf oder eher etwas beschämt?
Es ist ein Gefühl von Stolz, aber nicht für den Film, sondern für die Leute, die darin vorkommen und die mir das Vertrauen gegeben haben. Ich bin aber auch stolz darauf, ein Schweizer zu sein und Filme zu machen. «Album de famille» war für mich wie ein Aufnahmeverfahren, um Schweizer zu werden.
Ich mache immer Fehler, bei jedem Film. Wenn es nicht so wäre, würde ich nicht filmen.
Was macht Sie stolz, Schweizer zu sein?
Die Schweiz ist ein unglaubliches Land, um Filme zu machen. Es ist das einzige Land der Welt, das die Produktion und Förderung von Filmen in der Bundesverfassung festgeschrieben hat (Artikel 71). Und wir können hier unsere freie Meinung sagen. Für mich ist jeder Dok-Film, den ich mache, auch ein patriotischer Akt. Unser Land hat den Respekt, die Toleranz, die Solidarität und die Offenheit gegenüber andern Menschen in der Bundesverfassung verankert. Das finde ich wunderbar und nehme es zum Massstab, wenn ich einen Film drehe. Von daher fühle ich mich patriotisch.
Am Anfang ist man meist um gütige Mithilfe von Freunden angewiesen. Wurden bei Ihnen auch menschliche Beziehungen auf die Probe gestellt oder gingen gar in die Brüche?
Es gibt während dem Filmen harte Momente, auch mit Leuten. Aber ich gehe nicht auf Konfrontation. Ich möchte mit den Leuten arbeiten und nicht gegen sie. Wenn jemand aussteigt und nicht mehr mitmachen will, respektiere ich das und versuche die Haltung dahinter zu verstehen. Die Leute, die in meinen Filmen mitgemacht haben, sind auch Teil meiner Familie geworden. Alle von ihnen.
Was braucht es für den ersten Film ausser einer Idee, Geld und guten Freunden?
Ich denke nicht mal, dass es für den ersten Film Geld braucht. Ich habe kürzlich ausgezeichnete Filme gesehen, die mit dem iPhone gemacht wurden. Oder du kennst Leute, die eine Kamera haben und dir dieses und jenes ausleihen können. Was es wirklich braucht, ist dieses innere Feuer, das Feu sacré. Und den Willen, nicht aufzugeben, auch nicht unter widrigen Umständen. Dann kommt der Rest von alleine.