Mitte der 1990er-Jahre knisterte es im Kino. Filme wie «Fatal Attraction» oder «Basic Instinct» lockten mit grossen Stars, nackter Haut und Sex.
Nicht nur im Kinosaal waren diese Filme beliebt. Auch auf VHS-Kassette waren sie im Verkauf und bei Verleihern ein Renner.
Flaute nach Flops
Ende der 1990er-Jahre hatte der Hollywood-Erotikthriller seinen Zenit überschritten. Mit «Showgirls» und «Jade» waren zwei Grossproduktionen gefloppt.
Mögliche Gründe für den Niedergang des Genres: Die Filme glichen sich, und die wenigen gelungenen Filme gingen in einer Flut von billigen Direct-To-Video-Streifen unter. Vielleicht hatte auch die Internetpornografie der Leinwanderotik den Rang abgelaufen.
Nun erlebt das Genre einen zweiten Frühling. Derzeit befindet sich eine erstaunlich hohe Anzahl von Neuauflagen bekannter Erotikthriller aus den 1980er- und 1990er-Jahren in Entwicklung.
Warum kehrt ein Filmgenre zurück, das fast ganz von der Bildfläche verschwunden war? Weil derzeit sämtliche Popkultur neu aufgelegt wird, mit der Millennials aufgewachsen sind? Diese lassen sich mit Nostalgie bekanntlich gut abholen. Vielleicht erinnern sie sich gerne an den Reiz des Verbotenen, der diesen Filmen einst anhaftete.
Sex sells – aber wie hat er auszusehen?
Ein anderer Grund dürfte darin liegen, dass diese Filme besonders viel Potenzial für eine Überarbeitung bieten. Als Thema zieht Sex heute genauso wie vor 30 Jahren. Aber wie Sex im Film aussieht, hat sich grundlegend verändert. Als Folge von #MeToo muss neu verhandelt werden, wie Sex im Kino erzählt werden soll.
Die Erotikthriller der 1980er- und 1990er-Jahre sind geprägt vom männlichen Blick. Sie sind geschrieben, gefilmt und produziert von Männern. Das merkt man ihnen an. Nicht so sehr den Geschichten, die sich meist um sexuell selbstbestimmte Frauen drehen, was durchaus zeitgemäss ist. Sondern daran, wie diese Frauen in den Filmen bewertet werden.
Der weibliche Blick
Die sexuell selbstbestimmte Frau wird fast durchgehend als gefährlich gezeigt. Ihre Ausschweifungen werden am Ende entweder bestraft, oder sie findet zu traditionellen Werten zurück. In «Basic Instinct» etwa sprechen die von Sharon Stone und Michael Douglas gespielten Figuren am Ende darüber, Kinder zu kriegen und gemeinsam alt zu werden.
Bei den Neuauflagen spielen Autorinnen und Regisseurinnen eine deutliche wichtigere Rolle als in den männlich geprägten Originalen. Es ist zu erwarten, dass Frauenfiguren dadurch anders bewertet werden.
Mehr Sex, weniger Moral
Einziges Indiz dafür, wie Erotikthriller heute aussehen könnten, ist die Neuauflage von «American Gigolo». Zwar ist der Film aus dem Jahr 1980 mit Richard Gere alles andere als ein typischer Erotikthriller – schliesslich steht hier für einmal ein Mann mit ausschweifendem Sexualleben unter Mordverdacht. Aber die Serie ist die einzige Neuauflage, die bereits zu sehen ist.
Verglichen mit dem Original ist in der Serie deutlich mehr Sex zu sehen. Dieser wird vielfältiger dargestellt, meist mit Frauen als bestimmender Kraft. Davon, dass die Macherinnen und Macher als Folge von #MeToo davor zurückschrecken würden, Sex zu zeigen, ist nichts zu spüren.
Dass die Serie «American Gigolo» umständlich erzählt ist und einige Plattitüden bereithält – geschenkt. Sie ist immerhin ein Anzeichen dafür, dass die Streamingdienste nach dem #MeToo-Schock Hollywoods Freude am Sex neu entdeckt.