Superman ist der Erste. Einer der ersten Superhelden überhaupt und der erste Amerikaner (kryptonischer Abstammung), der den Krieg beendet.
In einer zweiseitigen Comic-Geschichte für das Magazin «Look» im Jahr 1940 fängt Superman Hitler und Stalin und bringt sie vor den Völkerbund. Sie werden verurteilt. Der Krieg ist vorbei. Zumindest fiktional. Und das ein Jahr, bevor sich die USA offiziell am Krieg beteiligen, der in Europa seit 1939 tobt.
Nur wenig später hat Captain America, der Superpatriot, dessen Kostüm von der amerikanischen Flagge inspiriert ist, seinen ersten Auftritt und verpasst auf dem Cover des Comics Hitler einen saftigen Faustschlag.
Juden gegen Hitler
Viele der Comicpioniere der späten 1930er- und 1940er-Jahre sind jüdischer Abstammung, wie die Superman-Erfinder Jerry Siegel und Joe Shuster oder auch Joe Simon und Jack Kirby, die Väter von Captain America.
Sie sind entsetzt über die Judenverfolgung im Dritten Reich, die Expansionspolitik der Nationalsozialisten in Europa und die Aufmärsche von Deutsch-Amerikanern in den USA, die mit Hitler sympathisieren.
Anders als viele Amerikaner zu dieser Zeit wollen die Zeichner, dass die USA gegen das Dritte Reich in den Krieg zieht. Das erklärt, warum Hitler schon so früh ins Visier der Superhelden gerät.
«Die ersten Geschichten von Superman erschienen zur richtigen Zeit. Als sich der Krieg andeutete», sagt Comic-Historiker Cuno Affolter, «da brauchte Amerika eine Figur, die eine gewisse Ideologie verbreitete.»
Comic-Helden machen mobil
Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor treten die USA 1941 in den Zweiten Weltkrieg ein. Die Regierung braucht die Unterstützung ihrer Bürger. An der Front und finanziell. Der Krieg wird eine nationale Herausforderung. Die Botschaft ans Volk: Wir können und dürfen nicht verlieren.
Eine Welle des Patriotismus erfasst das Land. Die Verleger leisten ihren Beitrag zum Krieg, machen die Comic-Helden mobil, um die Moral zu heben. Immer neue kostümierte Supermenschen treten ihren Dienst an.
1938 taucht Superman auf, kurz danach folgen Captain Marvel, Batman und auch die erste weibliche Powerfrau namens Fantomah. Die maskierten Metamänner- und Frauen sind in den 1940er-Jahren enorm populär und deshalb als Instrument der Propaganda gut geeignet.
«Die Propaganda der Superhelden kam bei den Leuten so gut an, weil sie genau das bedienen, was die Leute haben wollten. Sie wollten einen Helden haben, der Amerika beschützt», erklärt Comic-Historiker Cuno Affolter.
Supersoldaten
Aus den maskierten Verbrechensbekämpfern, die zuvor gegen Gangster, korrupte Politiker und Banker ins Feld gezogen waren, werden Supersoldaten.
Menschliche Fackeln, mächtige Meeresbewohner und superstarke Amazonen jagen Spione im eigenen Land, vernichten feindliche U-Boote auf den Ozeanen, verbiegen deutsche Panzerrohre in Europa.
«Fight the Japanazis!»
Die Helden und Heldinnen kämpfen für die USA, für die Demokratie, für die Freiheit. Die Anführer der Achsen-Mächte sollen besiegt werden: Hitler, Mussolini und der japanische Kaiser Hirohito. «Fight the Japanazis!», lautet die Aufforderung.
Es entstehen aberwitzigste Comic-Cover und kuriose Superhelden. Ein riesiger «Uncle Sam», der einen Hakenkreuz-Felsen zerbricht. «Cat Man» stranguliert Hitler mit einem siegessicheren Grinsen. «Airboy» holt japanische Kampfpiloten vom Himmel.
Rassistische Stereotypen
«Schweinehund» rufende Monokelträger und kleine, gelbe Männchen mit schlechten Zähnen und Brille: Die Darstellung der Deutschen und der Japaner ist stark überzeichnet. Aus heutiger Sicht sind es rassistische Stereotypen.
Aber Kriegspropaganda wird damals nicht mit feiner Klinge, sondern mit dem Vorschlaghammer betrieben. Die Comicabenteuer sind meist simpel, die Zeichnungen oft mies.
Superhelden bitten um Geld
Die Supermenschen in den Dienst der Nation zu stellen – dabei geht es nicht nur darum, das Volk zu unterhalten, zu motivieren und Hoffnung zu geben. Die USA, die in den 1930er-Jahren in einer Wirtschaftskrise streckte, braucht Geld, um die Kriegswirtschaft zum Laufen zu bringen.
Kriegsanleihen sind die Lösung. Die Amerikaner werden aufgefordert, welche zu kaufen und damit das Land zu unterstützen. Und so entstehen Kampagnen, in denen Superman, Batman und Co. für Kriegsanleihen werben.
Die Jahre des Zweiten Weltkriegs waren die ersten goldenen Jahre der Superhelden. Als der Frieden kam, verschwanden die meisten. Sie wurden nicht mehr gebraucht, nicht mehr gelesen. Nur ein paar überstanden die zweite Hälfte der 1940er- und die 1950er-Jahren.
Helden von gestern und heute
Superman, Batman, Wonder Woman und Captain America sind die bekanntesten Figuren, die heute noch in den Heften für das Gute kämpfen und an den Kinokassen Millionen einspielen.
Die Superhelden des Zweiten Weltkriegs sind eben nicht nur historische Comic-Charaktere, sondern prägende und wichtige Gestalten der Popkultur von heute.
Sendung: SRF 1, «Tagesschau», 1.9.2019, 19:30 Uhr.