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Kinostart Fiancées
Aus Kultur-Aktualität vom 23.07.2020. Bild: Fiancées
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 31 Sekunden.

Dokfilm «Fiancées» Vom Kinderzimmer direkt ins Ehebett

Alleine leben ist selten möglich, Sex vor der Ehe verpönt. Die Schweizer Regisseurin Julia Bünter hat in Ägypten drei Paare begleitet: «Fiancées» zeigt, wie schwierig es ist, alle Wünsche zu vereinen.

Die 23-jährige Randa räumt ihre alten Spielsachen in eine Kiste. Es ist eine unkommentierte Szene im Film «Fiancées», die für sich spricht. Randa wird bald heiraten. Nach der Hochzeit wird sie zum ersten Mal nicht in ihrem Kinderzimmer schlafen, und zum ersten Mal nicht allein.

eine verhüllte Frau lächelt und hält einen Mann
Legende: Randa und Abdelrahman haben sehr traditionell geheiratet – trotz ihrer Bemühungen, sich für mehr Gleichstellung in Ägypten einzusetzen. Fiancées

Es geht vom Elternhaus direkt ins Haus des Ehemannes. Ein Dazwischen ist in Ägypten nicht vorgesehen.

Private Einblicke

«In Ägypten bist du jemandes Kind und dann jemandes Elternteil, der Übergang ist fast nahtlos. Das war schon sehr eindrücklich für mich», sagt die Regisseurin Julia Bünter in einem Telefoninterview. Sie hat Randa und ihren Angetrauten sowie zwei weitere Paare mit der Kamera auf dem Weg zur Hochzeit begleitet.

eine Frau mit Brille
Legende: Die junge Genferin Julia Bünter ist 2015 für den Film nach Kairo gezogen. Fiancées

Dass es für junge Menschen keinen Spielraum gibt, um andere Sachen auszuprobieren, habe sie am meisten überrascht, ja geschockt, sagt die 30-jährige Welschschweizerin.

«Fiancées» ist ihr erster Langzeit-Dokumentarfilm. Drei Jahre hat Julia Bünter in Kairo gelebt und bis zu zwei Jahre hat sie jedes ihrer Paare begleitet. Sie sei schon fast ein Teil der Familien gewesen. Dank dieses vertraulichen Umgangs konnte die Regisseurin auch bei privaten Gesprächen dabei sein.

Ein Mann im Haushalt? Peinlich!

Für das westliche Publikum dürften die Eheberatungs-Szenen besonders pikant sein: Da sitzt Randa in einer Wohnzimmerhöhle voller Teppiche, Tücher und Vorhänge mit zwei ähnlich verhüllten älteren Frauen – ihre Grosstante und ihre Grossmutter.

Weshalb sei im Ehevertrag von der «erwachsenen Jungfrau» die Rede, aber nie vom «jungfräulichen Mann», regt Randa sich auf. Sie ist für mehr Gleichberechtigung und dafür, dass die Hausarbeit aufgeteilt werden soll. Ausserdem möchte sie die ersten drei Jahre verhüten, nicht sofort Kinder haben.

Doch die Grosstante findet es peinlich, wenn ein Mann den Abwasch macht. Und die Grossmutter betont, eine Ehe sei nicht zum Spass da, sondern um eine Familie zu gründen.

Verhütung verboten

Das koptische, also christliche, Paar im Film wirkt aufgeklärter. Doch deren Eheberater sagt beim Traugespräch in etwa dasselbe: Verhütung sei falsch. Ebenso gilt Sex vor der Ehe bei Christen wie Muslimen als verboten.

Das sind in Ägypten nicht primär Fragen der Religion, sondern der Kultur. Die beiden Frauen haben sich offenbar den Ratschlägen der Älteren gebeugt: Sie sind inzwischen Mütter.

eine Frau in einem üppigen Kleid, die lächelt
Legende: Marize ist Christin: Ihr Traum ist die perfekte Ehe, aber auch die Pille. Fiancées

Es hätte noch krassere Themen gegeben: Arrangierte Ehen sind vor allem auf dem Land noch üblich, in konservativen Gegenden werden viele Mädchen genital verstümmelt. Sexuelle Übergriffe sind ein weiteres grosses Problem, das gerade derzeit nach dem Fall eines seriellen Vergewaltigers auf den sozialen Medien Ägyptens heissläuft. Julia Bünter wollte aber bewusst auf das allzu Schockierende verzichten. Wichtiger war ihr, dass das hiesige Publikum sich trotz Unterschieden im Anderen noch zu erkennen vermag.

Der Film hat trotz der Schwere, die auf den Protagonisten lastet, etwas Frisches, Fröhliches. Man fühlt mit den sympathischen Protagonisten, vor allem mit den jungen Frauen. Ihr Drang, sich in einer konservativen, patriarchalen Gesellschaft etwas mehr Freiheit zu erschaffen, macht Hoffnung.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 23.7.2020, 17:20 Uhr

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