Die Solothurner Filmtage würdigen in diesem Jahr die grössten Filmpionierinnen. Im Spezialprogramm «Histoires du cinéma suisse» werden zehn Filme von Schweizerinnen gezeigt, die in den Jahren nach der Einführung des Frauenstimmrechts Geschichte schrieben.
Eine von ihnen ist die heute 86-jährige Tula Roy. Die Schweizerin ist eine Vorkämpferin des feministischen Films. Mit ihrem dreiteiligen Dokumentarfilm «Eine andere Geschichte» schuf sie 1993 ein wichtiges Zeitdokument über die helvetischen Frauen.
Iris von Roten und ihr Kampf für die Gleichstellung
«Ich habe nie gesagt: So, jetzt mache ich diesen Film. Aber ich hatte ein allgemeines Gefühl, dass man so etwas umsetzen sollte», sagt Tula Roy im Interview mit SRF.
Es sei eine Zeit gewesen, zu der Feministinnen in Zürich sich mit dem Thema der Gleichstellung befasst hätten. Politisch linksorientierte Frauen hätten sie angesprochen, ob sie einen solchen Film realisieren wolle.
Bekannte Persönlichkeiten kommen im Film als Zeitzeuginnen vor. Zum Beispiel Iris von Roten, die sich als Juristin und Schriftstellerin für die Gleichstellung der Frauen einsetzte und 1958 mit ihrem Buch «Frauen im Laufgitter» eine grosse Diskussion in der Schweiz auslöste.
Die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen war Iris von Roten immer ein wichtiges Anliegen. Frauen sollten arbeiten, Kinder in Kitas gebracht und Hygienefachkräfte für die Hausarbeit engagiert werden. Mit diesen Gedanken war sie ihrer Zeit weit voraus.
In «Eine andere Geschichte» erzählt sie von den Rückschritten während der Wirtschaftskrise 1929. Als Frauen, die gerade angefangen hatten sich in der Arbeitswelt zu etablieren, wieder an den heimischen Herd zurückkehren mussten, um den Männern Platz zu machen.
Ein Film von Frauen über Frauen, die Geschichte schrieben
Die Trilogie fokussiert sich auf den Kampf Schweizer Frauen zwischen 1910 und 1991. Eine lange Zeitspanne, in der Frauen für legale Abtreibung streikten, in der sie von 1959 bis 1971 mit jährlichen Fackel-Demos zeigten, wie sehr sie fürs Frauenstimmrecht brannten.
Geschichtsschreibung war damals, als Tula Roy ihren Film drehte, durch die männliche Perspektive geprägt. Die Regisseurin wollte das ändern: «Normalerweise schreiben Männer von ihrer Geschichte. Aber jetzt war der Moment gekommen, wo sich die Frauen gesagt haben: Jetzt sprechen wir», sagt Tula Roy. «Wir haben für diesen Film keine Männer gebraucht. Was hätten die uns schon erzählen wollen?», ergänzt die 86-Jährige mit einem Schmunzeln.
Es gibt noch viel zu tun
28 Jahren nach dem erscheinen ihrer Doku «Eine andere Geschichte» ist Regisseurin Tula Roy mit der Gleichstellung in ihrem Heimatland nicht glücklich: Es sei sehr, sehr wenig erreicht worden, sagt Roy. «Von echter Gleichstellung kann nicht die Rede sein. Die Lohngleichheit ist noch nicht erreicht», empört sich die 86-Jährige. «Auch die Anerkennung der Frau bleibt in weiter Ferne.»