Samedan bei St. Moritz: ein heimeliges Dorf in malerischer Landschaft. Eine Geschichte, die sich vor rund 30 Jahren zutrug, und die sich so oder ähnlich auch in anderen Schweizer Dörfern abgespielt haben könnte.
Es ist die Geschichte einer Jugend, die rebelliert, die plötzlich mehr will als nur immer Schnee und Berge. Eine Generation, die aus Protest, Frust, Neugier oder Desillusion zu harten Drogen greift – und das mit absehbaren Folgen.
Eltern und Ex-Süchtige
Der Filmemacher Ivo Zen geht in «Suot tschêl blau» der Frage nach, was da eigentlich schiefgelaufen ist. Er nimmt sein Publikum mit auf eine Reise nach Samedan und spricht vor Ort mit Menschen, die sich daran erinnern, wie Freundinnen und Freunde sich in Zürich mit Stoff einzudecken begannen.
Eltern sprechen darüber, wie sie ihre Kinder an Drogen verloren. Auch Ex-Süchtige kommen zu Wort.
Interessante Zeugnisse
Dabei fällt auf: Das sind alles ausgesprochen sympathische Menschen. Sie reden offen und herzlich, manchmal sogar humorvoll über das, was vorgefallen ist. Sie haben ihre Trauer, ihre eigenen Erinnerungen, und sie bringen diese geistreich zum Ausdruck.
«Suot tschêl blau» ist nur schon deshalb ein gelungener Film, weil man diesen Menschen gern zuhört und sich sofort für sie interessiert: Diese Hürde packt nicht jeder Dokumentarfilm.
Warum ausgerechnet Samedan?
Zwei Dinge tut der Regisseur Ivo Zen in «Suot tschêl blau» bewusst nicht: Er legt nicht didaktisch den Finger darauf, dass harte Drogen schädlich sind – das setzt er stillschweigend und elegant als Allgemeinwissen voraus.
Er hält sich auch nicht mit der Frage auf, warum die damalige alternative Jugendkultur einen derart suizidären Touch hatte – sondern er fragt eher, weshalb diese Kultur ausgerechnet in einem stillen Ort wie Samedan Fuss fassen konnte.
Notwendiges Aufarbeiten
«Suot tschêl blau» ist kein Film der langen Erklärungen, sondern ein Film, der sich in erster Linie um Erinnerungen und um Aufarbeitung dreht. Von einem leidigen Aspekt ist im Film immer wieder die Rede: Alle wussten im Dorf Bescheid, aber geredet wurde immer nur hinter dem Rücken der Leute.
Auch die Behörden schauten anscheinend weg. Die Menschen in diesem Film sprechen ganz offen in die Kamera – über Dummheiten, über verpasste Chancen, über innerste Verlustgefühle. Darüber, dass man über Drogensucht nicht schweigen sollte.
Keine falsche Scham
Schliesslich funktioniert der Film auch wie eine Art Andenken für diese Menschen, die wohl nicht zuletzt gestorben sind, weil ihnen der Zeitgeist einen Strich durch die Rechnung machte.
Ein schönes Andenken ist es geworden: Mit eindrücklichen Bildern von verschneiten Landschaften, mit diskreter, aber wirkungsvoller Musik und mit einer rundum positiven Botschaft: Es gibt am Ende nichts, wofür man sich schämen müsste.