Sechs Tage pro Jahr ist das pittoreske französische Städtchen Annecy nahe der Schweizer Grenze das Gravitationszentrum des Animations-Universums. Das Internationale Animationsfilmfestival kann mit beeindruckenden Zahlen aufwarten: über 7100 akkreditierte Berufsleute, 115‘000 Eintritte, 250 Vorstellungen, über 500 Filme aus 73 Ländern, davon 185 im Wettstreit um 26 Preise.
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Animation boomt. Statistiken belegen, dass sie der am stärksten wachsende Zweig des audiovisuellen Marktes ist, seit Jahren, weltweit… Weltweit? Nein! Denn ein kleines, von unbeugsamen Eidgenossen bewohntes Land hält sich beharrlich abseits. Jahrelang widerstand es dem Begehren seiner Filmgemeinde, am enormen Entwicklungsschub im umliegenden Europa teilzuhaben.
Animationsausbildung zeigt Wirkung
Leidenschaft und Ausdauer – ohne diese zwei Tugenden läuft im Bereich Animation nichts. Sie müssen der Grund dafür sein, dass die Schweizer Szene in letzter Zeit doch leicht gewachsen ist. Zudem hat sie sich merklich verjüngt, seit der Animationslehrgang an der Luzerner Hochschule für Design und Kunst jährlich Nachwuchs gleich im Dutzend in die Welt setzt. Die Filme der Luzerner Absolventen kommen durchaus gut an und finden regelmässig Aufnahme an Festivals.
Auch deshalb lag die helvetische Auslese an der Leistungsschau in Annecy in letzter Zeit immer bei etwa zehn Filmen. Heuer hat die Schule jedoch zusätzlich Grund zum Feiern – nicht nur, weil gleich fünf der elf selektionierten Filme mit Schweizer Beteiligung mit ihr verbunden sind, sondern vor allem auch weil «Patch» von Gerd Gockell, Dozent und vormals Abteilungsleiter des Fachbereichs Animation, mit dem Preis der Jury für einen unabhängigen Kurzfilm geehrt wurde.
Im Kurzfilmwettbewerb ist auch «Timber» von Nils Hedinger aufgefallen. Sein erstes professionell produziertes Werk nach dem Abschluss in Luzern ist eine bitterböse Tragikomödie. Sie bot willkommene Unterhaltung in einem Wettbewerb, in dem es sonst nicht allzu viel zu lachen gab. Im Schulfilm-Wettbewerb schliesslich war die Schule insgesamt mit drei Abschlussarbeiten vertreten.
Ein Studio im Aufbruch
Noch mehr Anlass zur Freude hat das Genfer Studio Nadasdy Film: Es war ebenfalls mit fünf Produktionen dabei und gewann gleich drei der 26 begehrten Preise – die Krönung des Aufstiegs zum derzeit erfolgreichsten Schweizer Studio.
Der Kurzfilm «Hasta Santiago» wurde sowohl als bester Erstling als auch für die beste Originalmusik ausgezeichnet. «Vigia», wie «Hasta Santiago» Finalist beim Schweizer Filmpreis, lief ausser Konkurrenz. Von drei weiteren Wettbewerbsbeiträgen mit Nadasdy Film als Minderheits-Koproduzent gewann «Le Parfum de la carotte» den Preis der Jury für TV-Specials.
Für Nadasdy Film hatte alles vor vor zehn Jahren begonnen mit einer ersten Minderheitsbeteiligung bei einer Kleinserie des bretonischen Studios Vivement lundi!. Damit öffnete sich den Genfern die Tür in den EU-Raum und zu den europäischen Fördertöpfen.
Die Europaliga ist noch fern
Sie nutzten die Chance und spannten mit einer wachsenden Zahl französischer und belgischer Partner zusammen. Bald kamen Eigenproduktionen mit umgekehrten Rollen dazu. Das brachte dem Studio einen beträchtlichen Know-how-Transfer. Ausserdem erwarb es so innert Kürze ein beachtliches, international dekoriertes Portfolio.
Bloss, eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer. Bis sich der Schweizer Animationsfilm international etabliert, ist es ein weiter Weg – nur schon die Europaliga ist noch fern. Bis dahin braucht es erst mal Konstanz, aber auch mehr als nur ein einziges europataugliches Studio.