Regisseur Richard Brooks («Cat on a Hot Tin Roof») versteht es, ein Milieu möglichst authentisch darzustellen. Genau dies liegt ihm in seinem Film «Blackboard Jungle» offensichtlich besonders am Herzen: Bereits im Vorspann stellt Brooks klar, was er will: Er tritt mit dem Film gegen die Gewalt, die sich in den öffentlichen Schulen der USA ausbreitet, gegen die Brutalisierung der Jugendlichen und gegen die Gleichgültigkeit der Gesellschaft an.
Eintauchen in jungendliche Gefühlswelten
«Blackboard Jungle» soll «Die Saat der Gewalt» – so der treffende deutsche Titel, unter dem der Filmklassiker im Oktober 1955 hierzulande ins Kino kam – bereits im Keime ersticken, indem er die Auswüchse möglichst genau vorführt. Die klar zutage tretende pädagogische Absicht bleibt während der gesamten Zeit stark spürbar.
Eben dieser Aspekt fasziniert so ausserordentlich bei «Blackboard Jungle». Denn trotz des hehren Anspruchs, ist sich Brooks nicht zu schade, tief in die Gefühlswelt der vernachlässigten Jugendlichen einzutauchen. Dabei versucht er nur am Rande, Erklärungen zu liefern. Vielmehr macht Brooks die Verzweiflung spürbar, denen die sinnlosen Gewalttaten der Jugendlichen zugrunde liegen. So bleiben die Täter stets Menschen.
Was zählt, ist das Recht des Stärkeren
Der Lehrer Richard Dadier (Glenn Ford) ist durch und durch Idealist. Er übt seinen Beruf aus, um Kindern und Jugendlichen etwas zu vermitteln: Wissen einerseits, aber auch gesellschaftliche Vorstellungen von Respekt und dem sozialen Miteinander.
Dabei jedoch beisst er sich schon bald die Zähne aus: Die halbstarken Jungs, die er als neuer Lehrer unterrichten soll, haben auf keinen Weltverbesserer wie Dadier gewartet. Die Jugendlichen sind längst desillusioniert: Die Väter waren während ihrer Kindheit im Krieg, die Mütter schufteten für das Auskommen der Familie, die Kinder selbst, auf sich gestellt – miteinander, gegeneinander. Was zählte und zählt, ist das Recht des Stärkeren. Eine bessere Zukunft bleibt unvorstellbar.
Ein Song wird zur Hymne einer ganzen Generation
Das Milieu inszeniert Brooks perfekt, was schliesslich Grenzüberschreitungen ermöglicht. Er bezieht zwar Stellung für den Lehrer, stellt sich dabei jedoch nicht zwingend gegen die Jugendlichen. Kein Wunder, dass «Rock Around the Clock» von Bill Haley & His Comets nicht nur als Motiv für die rebellischen Schüler am Anfang und Ende des Films fungiert, sondern zur Hymne einer ganzen Generation avancierte und dem Rock’n’Roll zum Ruhm verhalf.
Sidney Poitiers gelingt es in der Rolle des desillusionierten Schülers, der durch den Lehrer an Zuversicht gewinnt, das Publikum bis heute in den Bann zu ziehen. Selbstverständlich mutet in «Blackboard Jungle» einiges allzu naiv an, vor allem den Rollen der beiden Frauen Anne Francis als die Ehefrau von Dadier und Magaret Hayes als sichtlich überforderte Lehrer-Kollegin fehlt es an Differenzierung.
«Blackboard Jungle» ist nicht nur eine Reise in die 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Rebellion gehört immer noch ins Klassenzimmer. Gewalt hingegen nicht.