Filme waren schon farbig, bevor überhaupt jemand an den Tonfilm zu denken wagte. Denn schon in frühester Stummfilmzeit begannen die Produzenten damit, Filmstreifen einfärben zu lassen. Bei manchen Filmen wurden gar von Hand die Einzelbilder bemalt. Nur: An eine auch nur halbwegs natürliche Farbwiedergabe wagte noch kaum jemand zu denken.
Ein langer Weg
Das änderte sich, als am 19. November 1915 Herbert Thomas Kalmus mit seinen Ingenieurskollegen Daniel Frost Comstock und W. Burton Westcott die Technicolor Corporation gründete. Kalmus, ein Physiker, Elektrochemiker und Metallurg, hatte in Zürich studiert und später am Massachusetts Institute of Technology (MIT) unterrichtet.
Obwohl es schon komplexe Kinofarbverfahren gab, etwa das britische Kinemacolor, sah das Trio eine Marktchance; sollte es gelingen, ein günstiges und massentaugliches Verfahren zu entwickeln. Dafür brauchten sie allerdings fast ein Vierteljahrhundert.
Immer wieder neue Probleme
Das erste Verfahren, Technicolor 1, hatte der Konkurrenz voraus, dass mit bloss einer Kamera gedreht werden konnte. Mit einem Prisma und grünen und roten Farbfiltern wurden immer zwei schwarzweisse Bilder belichtet. Bei der Projektion mittels Spezialprojektor wurden dann die beiden Farbauszüge wieder über Filter gemischt.
Aber gerade weil dafür spezielle Projektoren nötig waren, setzte sich das Verfahren am Markt nicht durch. Für Technicolor 2 wurden daher die Farbauszüge aufeinander geklebt. Damit konnten die Filmstreifen theoretisch durch ganz normale Projektoren laufen. Allerdings führte die doppelte Dicke und die Verformung des Materials in der Hitze der Projektoren zu neuen Problemen.
Die Farbe kommt beim Publikum an
Erst mit Technicolor 3 kam der Durchbruch. Er gelang, weil die Farben nun mit einem komplexen Druckverfahren auf den Filmstreifen aufgebracht wurden; eine Technik, welche Technicolor 4 ab 1932 perfektionierte. Nun konnten Farbfilme mit den gleichen Projektoren und der gleichen Leichtigkeit vorgeführt werden wie Schwarzweissfilme.
Einer, der schon lange vor den anderen Studios die Farbe als Alleinstellungsmerkmal entdeckt hatte, war Walt Disney. Er begann schon bald und vorerst exklusiv mit Technicolor zu arbeiten, zunächst für kurze Musik-Cartoons, die «Silly Symphonies», und dann für seine erste Zeichentrick-Langfilmsensation «Snow White and the Seven Dwarfs» von 1937. Die Farbe war damit definitiv beim Publikum angekommen. Die grossen Studios beeilten sich, mit Technicolor Verträge abzuschliessen.
Ein steter Kampf mit den Produzenten
Für Grossproduktionen wie David O. Selznicks «Gone With the Wind» und die spektakuläre Musicalverfilmung «The Wizard of Oz» (beide 1939) war die Farbe ein eben so wichtiges Verkaufsargument wie später 3D im Kampf gegen das Fernsehen. Entsprechend bunt wollten die Studios ihre Produktionen haben.
Das führte zu einem permanenten Kampf mit Technicolor. Die Firma verkaufte ihre Technologie nämlich nicht, sie vermietete sie. Samt firmeneigenen Technikern und Farbberatern. Die bemühten sich um möglichst natürliche und künstlerisch ausgewogene Farbpaletten und lieferten sich dabei einen steten Kampf mit den ausführenden Produzenten.
Online frei zugängliche Sammlung
Zum 100. Geburtstag des Technicolor-Verfahrens widmet die 65. Berlinale die diesjährige Retrospektive der stilbildenden Farbfilm-Technik. Die Retrospektive präsentiert rund 30 spektakuläre, zum Teil aufwändig restaurierte Technicolor-Filme von den Anfängen bis 1953. Begleitend zur Berlinale-Retrospektive erscheint der Band «Glorious Technicolor».
Mitautorin ist die Zürcher Filmprofessorin Barbara Flückiger. Sie ist auch die Initiantin und Kuratorin der weltweit führenden Filmfarben-Datenbank. Ihre Timeline of Historical Film Colors gibt eine grossartige Übersicht über die historischen Farbverfahren und liefert zahllose Beispiele mit Vergleichsbildern und Materialien. Diese online frei zugängliche Sammlung ist nicht nur für Laien faszinierend, sondern längst ein unentbehrliches Arbeitsinstrument für Restauratoren und Archivare.