Manchmal merkt man an einem Festival erst mit Verzögerung, wie gut ein Film ist, den man gesehen hat. Das passiert oft dann, wenn ein anderer Film diesen richtig guten Film negativ kontrastiert. So geschehen mit «'71» von Yann Demange nach der Sichtung von George Clooneys «The Monuments Men».
Ersterer gewinnt. «'71» ist eine echte Antikriegsparabel, gesetzt in Nordirland, und macht klar: Eigentlich gibt es in Konflikten nicht «gut und böse», es gibt nur ein System und Ideologien, die Böses schaffen. Und mitten drin sind viele sehr verletzliche Menschen.
Antikriegsfilm mit patriotischer Haltung
Aber hier geht es um den Film, der dieses Duell verliert: George Clooneys Beitrag zur Nachbearbeitung des Zweiten Weltkriegs, «The Monuments Men». Der ist natürlich auch (im Subtext) ein Antikriegsfilm; ein Film, der sehr wohl Stellung bezieht, eine sehr patriotische Stellung.
Mitten im Film kam mir der Gedanke: «Das ist ein Propagandafilm.» Und ich habe mich gefragt, wie es wohl den vielen deutschen Kollegen im Publikum ging mit diesem Film – denn man schimpft im Film nicht über die «bloody Nazis» sondern über die «bloody Germans».
Die Guten sind in diesem Film vor allem die Amerikaner, die den restlichen Europäern und den jüdischen Sammlern ihre Kunst zurückgeben, die die Nazis geklaut hatten: den Genter Altar, Michelangelos «Madonna mit Kind» aus Brügge und die ganze Rothschild-Sammlung. Alle anderen sind böse: diejenigen, die Kunst für sich haben wollen (die Nazis, später die Russen) und natürlich diejenigen, die die Kunst im Krieg zerstören.
Clooney der Kunsthistoriker
Dass es die Monuments Men überhaupt braucht, weil die Alliierten wahllos Kunstschätze und Kulturdenkmäler bombardiert und zerstört haben, wird von Clooney zwar zu Beginn schulmeisterlich erklärt – er selbst als Kunsthistoriker erläutert dies dem Präsidenten Roosevelt ex cathedra mit Diashow. Das geht dann aber schnell wieder vergessen.
Der Film ist dann stellenweise durchaus unterhaltsam und gar witzig, eine Art Roadmovie während der letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Das ist auch dem Cast zu verdanken: Matt Damon, John Goodman, Bill Murray, Jean Dujardin sind einige der Monuments Men, die zusammen auf Schatzsuche gehen.
Es sind Kunstsachverständige, Architekten, Bildhauer, Kuratoren, die erstens die Alliierten dazu bringen sollen, gewisse Werke bei den letzten grossen Angriffen nicht zu zerstören, und zweitens die gehorteten Nazischätze suchen sollen.
«Nicht nur ein hübsches Gesicht»
Clooney hat, ganz nach seiner Art, unzählige Metawitze über seine Schauspielkumpels eingebaut: Matt Damon wird mehrmals wegen seines schlechten Französisch aufgezogen. Clooney selbst sagt, nachdem er ein Funkgerät gebaut hat: «Da staunst du, was? Ich kann auch etwas, ich habe eben nicht nur ein hübsches Gesicht.» Und der füllige Goodman spielt einen Bildhauer mit Nachnamen «Garfield».
Der Film basiert auf dem Buch von Robert M. Edsel. Sowohl im Buch wie auch im Film geht es weniger darum, diese ungeheuer spannende Geschichte um Kunstwerke im Krieg historisch aufzurollen. Vielmehr sollen die Monuments Men geehrt werden, um in der amerikanischen Heldenverehrung ein neues Kapitel aufzuschlagen. Leider geht das offenbar nur mit schwülstigen Reden und ungeheuer viel Pathos in Atmosphäre und Musik.
Joel Basman und John Wayne
Ab und zu gibt es richtig witzige und gute Momente in «The Monuments Men». Eine der besten Szenen im Film ist ausgerechnet mit dem jungen Schweizer Schauspieler Joel Basman. Der trifft als verängstigter und verirrter deutscher Soldat mit dem Gewehr im Anschlag auf zwei der Monuments Men, gespielt von Bill Murray und Bob Balaban.
Die drei setzen sich langsam nieder, rauchen schweigend eine Zigarette zusammen, und weil sie die Sprache des anderen nicht sprechen, fragt der junge Soldat nur schüchtern: «John Wayne?». Die beiden Amerikaner nicken und sagen: «John Wayne.» Und alle gehen unbehelligt ihrer Wege.
Das fasst den Film eigentlich ganz gut zusammen: Er ist viel mehr «John Wayne», also amerikanisches Kino, als ein kluger Beitrag zur historischen Raubkunstdebatte, die seit dem Fall Gurlitt wieder in aller Munde ist.