«Ein Fernsehspiel mit langweiligen Nebenhandlungen… aufgeblasen zu einem zweistündigen Kinofilm», urteilte die Filmzeitschrift «Esquire». Nicht über Sacha Gervasis neuen Spielfilm «Hitchcock», sondern über Alfred Hitchcocks Klassiker «Psycho», als dieser 1960 in die Kinos kam. Die Kritik war zunächst blind für die atemberaubenden Wagnisse, die der Spannungsmeister mit diesem Film über einen Killer in Frauenkleidern einging.
Selbstfinanziert
Auch die Hollywood-Studios waren von Beginn weg gegen den Thriller. Weil sie sich weigerten, «Psycho» zu finanzieren, griff Hitchcock in die eigene Tasche. Er wollte diesen Film unbedingt drehen – gegen alle Widerstände. Regisseur Sacha Gervasi beleuchtet in «Hitchcock» den Hindernislauf, zu dessen Hürden auch ein harter Kampf mit der Zensurbehörde gehörte.
Im Zentrum steht jedoch der kreative Schaffensprozess, ein teils heiteres, teils verbissen geführtes Ping-Pong-Spiel zwischen Alfred Hitchcock und seiner Frau Alma. Als er ihr zum Beispiel eröffnet, dass die weibliche Hauptdarstellerin bereits in der Filmmitte sterben solle, antwortet Alma trocken: «Das halte ich für einen Fehler.» Um kurz danach schlagfertig anzufügen: «Ich würde sie schon nach 30 Minuten ins Jenseits befördern!»
Herr und Frau Hitchcock
Sexuell läuft zwischen den in getrennten Betten schlafenden Eheleuten längst nichts mehr. Vor Eifersüchteleien sind die beiden starken Persönlichkeiten dennoch nicht gefeit. Alma erträgt die voyeuristischen Vorlieben ihres Gatten für Blondinen auf dem Set eher schlecht als recht. Alfred führt als obsessiver Überwacher seiner Umwelt wiederum genau Buch, wie oft sich seine Gattin mit einem befreundeten Drehbuchautor trifft.
Vor dem Hintergrund dieser Paardynamik fliegen am Schluss im Schnittraum zwischen dem Star-Regisseur und seiner rechten Hand die Fetzen. In schöpferischer Streitlaune gelingt es Alfred und Alma, ihre zwischenmenschliche Spannung auf gestalterische Konflikte zu lenken. Ob «Psycho» auch ohne Almas Impulse ein Meilenstein geworden wäre, ist reine Spekulation. Das reale Ergebnis ist jedenfalls Filmgeschichte.
Hannibal Lecter und die Queen
Verblüffend, mit welcher Leichtigkeit Hollywood-Neuling Sacha Gervasi dies alles inszeniert. Getragen wird «Hitchcock» jedoch von seinem britischen Darsteller-Duo: Anthony Hopkins und Helen Mirren adeln den Film mit ihrem Schauspiel.
Nur ganz zu Beginn hat man als passionierter Kinogänger das Gefühl, Hannibal Lecter und die Queen auf der Leinwand zu sehen. Dass es den beiden gelingt, ihre prägendsten Filmrollen sehr schnell vergessen zu lassen, zeugt von ihrer grossen Klasse.