«Als ich mit 26 Jahren nach Rom kam, bin ich, ohne es wirklich zu merken, dem Sog des Partylebens verfallen. Aber ich wollte nicht einfach irgendein Partygänger sein. Ich wollte der König der Partyszene sein. Ich wollte an den Festen nicht nur teilnehmen können, ich wollte sie ruinieren können.»
So führt sich der alternde Held dieses Filmes selber ein. Sein Name ist Gambardella, Jep Gambardella. In seiner Jugend, so erfahren wir bald, war er ein vielversprechender Autor, der sich dann aber mit intellektuellen Stücken für die Presse durch die Tage, und als Lebemann durch die Nächte pirschte. Jetzt spürt er das Alter und die Leere. Immer wieder zitiert er Flaubert, der einen Roman über Nichts habe schreiben wollen, als Vorbild.
Im dekadenten Dunstkreis der Schönen Roms
Das ist eine Figur, die an Truman Capote erinnert, an Tom Wolfe oder andere Schriftsteller-Dandies, vor allem aber an die Figuren, welche Marcello Mastroianni für Federico Fellini gespielt hat: Getrieben und amüsiert, leicht blasiert und stets charmant, aber irgendwie ziellos verloren im dekadenten Dunstkreis der Schönen, Noblen und Reichen Roms.
Paolo Sorrentino ist wohl tatsächlich der einzige zeitgenössische italienische Filmemacher, der sich in der Nachfolge Fellinis versuchen darf. Dennoch aber wirkt sein monumentaler Versuch, direkt an Fellinis Meisterwerken, insbesondere «La dolce vita», anzuknüpfen, sagen wir mal: eigenartig. Was durchaus für den Versuch sprechen würde.
Toni Servillo: magnetisch und hypnotisch
Auf den zweiten Blick allerdings ist «La grande bellezza» ein opulentes, festives und ausuferndes Sehvergnügen, das vor allem von den Phantomen vergangener Zeiten lebt – und Regisseur Sorrentino ist sich dessen auch bewusst. Er schickt seinen Lieblingsschauspieler Toni Servillo in dieser Marcello-Mastroianni-Rolle als Edelfeder Jep Gambardella durch die endlosen Nächte Roms, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der verlorenen Jugend.
Toni Servillo ist wie immer magnetisch und hypnotisch, er trägt den Film überall dort, wo nicht die choreographierte Opulenz der gekonnten Fellini-Imitation dominiert. Aber Servillo ist kein Latin Lover, ebenso wenig, wie es Mastroianni in Wirklichkeit und in den Filmen war. Aber Servillo, ein Schauspieler mit einem gesunden Ego, hätte nichts dagegen, auch ein bisschen Latin Lover zu sein. Während Mastroianni sich zeitlebens davor grauste und sich nie recht erklären konnte, wie er zu der Aura gekommen war.
Metafilm über vergangenes Kino
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«La grande bellezza» ist ein Metafilm, ein Film über vergangenes Kino, auch wenn er es nicht sein möchte. Er lebt von den Träumen, die Fellini noch träumen konnte und leidet daran, dass Sorrentino sehr wohl weiss, dass der Traum vom süssen Leben heute nur noch nostalgisch wirken kann. Das gibt seinem grandiosen Opus denn auch sehr wohl eine eigene Grösse, welche erst mit der Zeit und erst in der Nachwirkung zum Tragen kommt.
Die Melancholie, welche Mastroianni als Fellinis Alter Ego durch dessen Filme trug, ist heute eine doppelte. Jep Gambardella trauert um ein Ideal, das er gar nie zu finden gehofft hatte, eine Unschuld, die er nie wirklich verlieren konnte.
Bezeichnenderweise blendet «La grande bellezza» zwar zurück in die Jugend des Helden – als er frisch verliebt und überhaupt noch frisch war – aber nicht in seine Kindheit. Während wir jene Fellinis zumindest gefühlsmässig kennen, dank unsterblichen Filmen wie «Amarcord».
Heimweh nach dem grossen Kino
Aber nicht nur wir kennen Fellinis Opus, sondern auch Paolo Sorrentino. Und er weiss, dass er zu guten Teilen mit dem Echo von Fellinis Erbe arbeiten muss. Vielleicht liegt es an diesem durchaus tragischen Ballast, dass «La grande bellezza», diese Herkules-Arbeit von Paolo Sorrentino, nicht die Wucht und den Widersinn seiner ganz grossen Meisterwerke wie «Il divo» oder «L’amico di famiglia» erreicht.
Die grosse Schönheit, la grande bellezza, wird immer wieder spürbar. Aber was von ihr zu sehen ist, hat die Form von Ruinen, Roms Ruinen, welche nicht nur von den Phantomen der Geschichte bewohnt sind, sondern auch von den Phantomen des grossen italienischen Filmschaffens von einst. «La grande bellezza» ist ein monumentaler Film über das grosse Heimweh nach dem grossen Kino, ein Monu-Meta-Film.