Worüber regen sich die Amerikaner auf, wenn es um den Film «American Sniper» geht?
Sacha Verna: Sie regen sich über die Botschaft des Films auf. Denn die Linken, die Rechten und alle dazwischen können sich nicht darauf einigen, worin denn diese Botschaft eigentlich besteht. Es gibt manche Linke, die «American Sniper» für ein schamloses Stück Kriegspropaganda halten, das einen vom Staat beauftragten Massenmörder, einen psychopatischen Patrioten, verherrlicht.
Und es gibt manche Rechte, die finden, der Film zeige endlich, was für Helden dieses Land noch hervorbringt. Fragen der Moral im «Kampf gegen das Böse», also gegen den Islam, seien unangebracht.
Sie erwähnen die üblichen Fronten – hier Links, dort Rechts. Was ist daran ungewöhnlich?
«American Sniper» hat die sonst sehr fixen ideologischen Scheuklappen ziemlich ins Flattern gebracht. Denn es gibt auch linke Kritiker, die finden, der Film sei keineswegs Kriegspropaganda, sondern beweise vielmehr die Absurdität des sogenannten Krieges gegen den Terrorismus.
Und es gibt rechte Kritiker, denen nicht passt, wie die Heimkehr des Protagonisten Chris Kyle dargestellt wird. Wie Tausende andere Veteranen hat dieser nämlich ungeheure Schwierigkeiten gehabt, sich wieder ins Zivilleben einzufügen. Er wurde von den Institutionen, die ihm dabei eigentlich helfen sollten, im Stich gelassen.
Tatsächlich steigt die Zahl der Selbstmorde unter den Veteranen der jüngsten Kriege der USA Jahr für Jahr. Es ist ein anerkanntes, riesiges Problem, dass viele Ex-Soldaten nach ihrer Rückkehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt und vergessen werden.
Regisseur Clint Eastwood hat selber eine politisch ziemlich farbige Vergangenheit – wie hat er sich zu dieser Kontroverse zwischen Links und Rechts geäussert?
Er hat nicht besonders viel gesagt. Es stimmt, dass Clint Eastwood unter Hollywoods Salon-Linken eigentlich eine Persona non grata ist. Sie haben ihm nie verziehen, dass er Barack Obama am Parteitag der Republikaner vor drei Jahren eine Standpauke gehalten hat, indem er auf dem Podium endlos auf einen leeren Stuhl eingeredet hat – natürlich sehr zur Freude seines Publikums. Was «American Sniper» betrifft, sagte Eastwood nur: Der Film zeige, wie verheerend sich der Krieg auf das Leben und das ihrer Angehörigen auswirke. Und das sei das stärkste Argument gegen den Krieg überhaupt.
Das heisst, man weiss eigentlich gar nicht so recht, was man von Clint Eastwood halten soll?
Genau.
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Lässt die Diskussion um «American Sniper» auch Rückschlüsse zu, wo die Vereinigten Staaten insgesamt bezüglich der diversen Kriege stehen, in die sie im Ausland verwickelt sind?
Die Diskussion macht ziemlich deutlich, dass viele Amerikaner vom militärischen Interventionismus der letzten Jahre genug haben. Egal, ob man Chris Kyle als Helden betrachtet oder als Mordmaschine – ganz sicher ist niemand aus dem Film spaziert und hat gedacht: «Oh ja, lasst uns sofort auch in Syrien einmarschieren, in Nigeria, den Jemen und in Russland sowieso.»
Dazu kommt der Tod von Chris Kyle. Er starb nicht etwa hochdekoriert auf dem Schlachtfeld, sondern nach seiner Rückkehr 2013 in Texas, wo er von einem traumatisierten Veteranen erschossen wurde. Deshalb hat sich zur Frage über den Inhalt des Films auch das Thema der umstrittenen amerikanischen Waffengesetze gesellt, das ein innenpolitischer Dauerbrenner ist. Insgesamt lautet der Tenor der «American Sniper»-Debatte: Die USA sollen endlich die unzähligen Probleme daheim lösen, bevor sie anderswo für neue sorgen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 9.2.2014, 17.20 Uhr