Es ist halb neun Uhr morgens. Vor dem roten Teppich haben sich die ersten Autogrammjägerinnen installiert. Sie schützen sich mit Regenschirmen vor der Sonne und verbringen dort den Tag, um einem der zahlreichen Superstars vielleicht die Hand zu schütteln, oder ein unleserliches Autogramm zu bekommen. Dass schon jetzt jemand auf dem roten Teppich steht, nehmen sie nicht wahr.
Dutzende Heinzelmänner
Ich sehe den Mann mit dem Staubsauger dort jeden Morgen, wenn ich zur ersten Vorstellung gehe. Mit seinem viel zu kleinen Staubsauger putzt er die riesige rote Fläche vor dem Filmpalast, damit am Nachmittag das glamouröse Festivalritual wieder stattfinden kann.
Auch an der Frau, die die Toiletten im Casinopalast nebenan sauber hält, gehen die meisten acht- und grusslos vorbei. Und zwischen den zahlreichen Sitzgelegenheiten und Verpflegungsinseln sind dutzende Heinzelmänner und -frauen unterwegs.
«Ich putze für Sie»
Sie sorgen dafür, dass das Festivalgelände sein festliches Aussehen bewahrt. Würden sie auch nur zwei Stunden lang aussetzen, würde es bald nicht mehr so festlich aussehen. Die Putzkolonne der Mostra trägt Uniform – auf dem Rücken der T-Shirts steht «Io pulisco per Lei la Mostra Internazionale dell'arte cinematografica»: Ich putze für Sie, das Filmfestival.
Autogramm von der Putzkolonne
Ich habe die junge Frau auf der Toilette gefragt, ob sie sich denn auch mal einen Film am Festival ansieht. Sie zuckt mit den Schultern. «Wahrscheinlich nicht», sagt sie. «Wenn meine Schicht um ist, gehe ich nach Hause». Auch der Staubsaugermann sieht die Stars, für die er den Teppich putzt, nie aus der Nähe. Ich aber, ich juble ihm im Stillen zu, wenn ich am roten Teppich vorbei gehe. Und vielleicht bitte ich ihn das nächste Mal um ein Autogramm.