Jedem Wettbewerb seinen Kostümschinken: «Die geliebten Schwestern» von Dominik Graf ist tatsächlich ein Schinken, eine Schwarte gar, 170 Minuten lang. Als Regisseur Graf in der Pressekonferenz gefragt wurde, ob er den Film nicht auch hätte kürzer machen können, hat er Nein gesagt. Man müsse sich als Zuschauer diese Zeit nehmen, eine Geschichte erzählt zu bekommen.
Falsch. Diese Geschichte will man sich nicht fast drei Stunden lang erzählen lassen müssen. Jedenfalls nicht so, wie es Dominik Graf getan hat: mit dieser ungeheuren Geschwätzigkeit, die einem gar nicht die Zeit zum Zuschauen lässt.
Bildungsbürgerliche Off-Kommentare
Der Film erzählt die Geschichte einer Dreiecksliebe zwischen Friedrich Schiller und den beiden Schwestern Charlotte von Lengefeld und Karoline von Beulwitz. Ich glaube, die Tatsache, dass ich schon die Literatur Friedrich Schillers nicht mag, hat meinen Blick etwas eingefärbt – darüber darf man mit mir gerne auch streiten. Aber allein daran liegt es nicht, dass ich mehrmals versucht war, den Kinosaal vorzeitig zu verlassen. Ich habe es schliesslich ausgesessen, bis zum bitteren Ende, bis zum Tod Schillers.
Meine Abneigung gegen den Film hat viele Gründe. Da ist zum einen die Art, alles – wirklich alles – erzählen zu wollen, «auszudeutschen», jeden Briefwechsel vorzulesen, jede Wendung in der Geschichte in einen bildungsbürgerlichen Off-Kommentar zu packen. Um dann wiederum die wirklich spannenden Momente auszuklammern – das Treffen Schillers mit Goethe beispielsweise wird nur aus der Ferne am anderen Flussufer gezeigt.
Warum kann man Goethe nicht zeigen?
Goethe bleibt in die «Die geliebten Schwestern» der geheimnisvolle Fremde, den man nur von hinten sieht. Warum kann man denn Goethe kein Gesicht geben, wenn Schiller doch eine der Hauptrollen spielt? Warum kann man das Gespräch zwischen den beiden nicht zeigen, wo doch auch alles andere frei erfunden ist in diesem Film?
Dazu kommt einmal mehr die Haltung, Schillers Ehefrau Charlotte als schwaches Mauerblümchen zu zeichnen. Ein Bild, das in der Literaturforschung längst überholt ist und der starken und überaus klugen Frau nicht entspricht.
Und dann wäre da noch diese formale Unentschlossenheit – seltsame filmische Einfälle, die eher peinlich als gut sind, etwa wenn die Protagonisten ihre Briefe quasi direkt in die Kamera sprechen.
Schiller: eine denkbar falsche Besetzung
Hannah Herzsprung und Henriette Confurius spielen die beiden Schwestern. Die Rollen sind passend besetzt, jedoch können die Schauspielerinnen im Korsett der manierierten Dialoge nicht wirklich aufblühen. Und Florian Stetter mag ein sympathischer und gar charismatischer Schauspieler sein – als Fritz Schiller ist er aber eine denkbar falsche Besetzung. Mit «Die geliebten Schwestern» ist wohl eine der vier deutschen Bärenhoffnungen vorzeitig aus dem Rennen ausgeschieden.