«Der Versuch»: So hiess der Arbeitstitel des neuen Films über den Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt. Und dieser «Versuch» ist der Zürcher Filmautorin und Historikerin Sabine Gisiger gelungen: Nämlich ausschliesslich mit Archivaufnahmen von und mit Friedrich Dürrenmatt einen Film aus einer imaginierten Ich-Perspektive zu machen. Es ist faszinierend zu sehen, wieviel Welt ein Film in nur 52 Minuten zu erzählen vermag.
Sabine Gisiger zeigt Dürrenmatt so persönlich, wie man ihn bis anhin kaum je gesehen hat. Sie zeigt ihn «im Labyrinth» – so lautet der Titel des nun fertigen Films: nach Orientierung suchend in seinem Universum, in dem er sich nach dem Tod seiner ersten Frau Lotti wieder zurechtzufinden sucht.
Humor als Halt und Haltung
Sinnbildlich für den Moment der Neuorientierung in seinem Leben setzt die Filmerin Bilder einer Zugfahrt ein: Dürrenmatt taumelt wie in einem Traum durch die Zugabteile, ebenso verloren wie aufgehoben in (s)einer Welt, in der es kein Zurechtfinden gibt.
«Sein Humor und seine Klugheit», sagt die Filmautorin, sei es gewesen, was sie in ihrer Arbeit an diesem Film geleitet habe. «Ich halte Dürrenmatt für den grössten Schweizer Denker des 20. Jahrhunderts. Ich wollte ihm ein innovatives filmisches Denkmal setzen.»
Dafür hat sich Sabine Gisiger den Mitteln und der Magie der Montage bedient: Sie hat aus 80 Stunden Film- und Tonarchiven eine imaginierte Autobiografie montiert, in der Friedrich Dürrenmatt nun selber Rückschau hält auf sein Leben. Der Film zeigt den Schriftsteller auch als Maler – und seine Bilder sind dabei von der gleichen Klarsicht und dem gleichen schwarzen Humor geprägt wie sein schriftstellerisches Werk.
Die Schweiz als Gefängnis
Ebenso präzise wie prophetisch war Dürrenmatt bis in die letzten Wochen seines Lebens. Kurz vor seinem Tod hielt er anlässlich der Verleihung des Friedenspreises an den nach langer Jahre Gefängnis befreiten Berufskollegen Václav Havel seine berühmte Rede «Die Schweiz als Gefängnis».
Die Filmaufnahme dieser Rede markiert den Auftakt des neuen Dürrenmatt-Films, der Dürrenmatts Verständnis von Wahrheit und Wahrhaftigkeit sehr nahekommen dürfte. «Ich habe mir vorgestellt, wie Dürrenmatt seine eigene Geschichte erzählt hätte», erläutert Sabine Gisiger ihren Zugriff. «Dürrenmatt selber hat immer für das Spiel mit Möglichkeiten plädiert. Deshalb fühlte ich mich frei, die Bilder und Sätze aus den Archiven zu einer fiktiven Autobiografie zusammenzusetzen.»