Louie Zamperini war ein vielversprechender US-Leichtathlet, der 1936 an der Olympiade in Berlin teilnahm und Hitler persönlich die Hand schüttelte. Bei Kriegsausbruch engagierte er sich als Bombenwerfer in der US-Luftwaffe, überlebte einen Flugzeugabsturz über dem Pazifik und ernährte sich in seinem Rettungsboot wochenlang von Regenwasser, Fischen und Vögeln. Dann, völlig ausgemergelt und am Ende seiner Kräfte, geriet er vom Regen in die Traufe: Er wurde von Japanern aufgegriffen und in ein Kriegsgefangenenlager überführt, wo er den brutalen Ausfällen eines japanischen Kommandanten ausgesetzt war.
Doch Zamperini überlebte und kam nach Kriegsende als Volksheld in die Vereinigten Staaten zurück. Seine traumatisierenden Erlebnisse verarbeitete er mit einem strengen christlichen Glauben. Vor allem entschloss er sich, seinen japanischen Peinigern zu verzeihen, ihnen die Hand zu reichen. Im Jahr 2014 verstarb er schliesslich, im stolzen Alter von 97 Jahren. Noch kurz vor seinem Tod sah er einen Rohschnitt des Spielfilms, den Angelina Jolie in den letzten zwei Jahren aufgrund seiner Biografie inszeniert hatte.
Einseitige Sicht auf Japan
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Eigentlich wäre das ja nun wirklich eine starke Geschichte, aber der fertige Film «Unbroken» hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Je länger der Film dauert, desto deutlicher wird, wie einseitig der Film aufgegleist ist. Zamperini (gespielt vom Newcomer Jack O'Connell) ist ein Held des Leidens und der Ausdauer. Ein richtiger Märtyrer, sein Glaube lässt ihn schlimmste Torturen aushalten.
Der Kommandant hingegen, gespielt von einem japanischen Rockstar ohne Englischkenntnisse oder Schauspielerfahrung, ist ein verkappt homosexueller Sadist, der unseren Helden pausenlos mit seinem Bambusstock traktiert. Er ist ein lächerlicher Abklatsch des Lagerführers Yonoi im Kriegs-Drama «Merry Christmas, Mr. Lawrence» (1983) von Nagisa Oshima.
Der Regisseurin Angelina Jolie standen für «Unbroken» beachtliche finanzielle Mittel zur Verfügung, doch so gut der Film auch aussieht: Mit dem Drehbuch – an dem unter anderem auch die Coen-Brüder herumgedoktert haben sollen – stimmt etwas nicht. Die ganze Ausrichtung erinnert völlig unironisch an US-Propagandafilme, wie sie die diversen Hollywood-Studios Anfangs der 40er-Jahre in Umlauf brachten: Heldenhafte, gut aussehende GIs kämpfen für Gerechtigkeit in aller Welt und lassen sich dabei nicht unterkriegen. Die Japaner hingegen – es findet sich keine einzige Ausnahme in «Unbroken» – sind herzlose, brutale Unterdrücker oder kalte Kriegsbürokraten.
Unnötiger biblischer Unterton
Diese Einseitigkeit mag der Perspektive Zamperinis geschuldet sein, doch sie geht einher mit einer nicht minder befremdlichen Geschmacklosigkeit: Sowohl Drehbuch als auch Regie strapazieren immer und immer wieder die Analogie zwischen dem Schicksal von Zamperini und dem Leidensweg von Jesus Christus. Das wird im Film nicht bloss diskret angedeutet, das wird einem regelrecht eingetrichtert.
Vielleicht hat sich Angelina Jolie gedacht, dass die Chancen auf einen Oscar steigen, wenn man sich – wie letztes Jahr «Twelve Years a Slave» – eine gefühlte Ewigkeit mit menschlicher Schmach und Erniedrigung aufhält. Doch sie landet damit auf der Seite von Mel Gibson und seinem unnötigen Golgota-Gemetzel «The Passion of the Christ» (2004), nämlich im Bereich des unfreiwillig Komischen und Grotesken. Den Oscar 2015 kann sie sich auf jeden Fall abschminken.