Heute wird die Dänin Lili Elbe als Pionierin der Transgender-Bewegung gefeiert. Dabei war sie keine Kämpferin für ihre Sache, keine Gründerin einer Bewegung. In Tom Hoopers Verfilmung ist Lili Elbe zunächst Einar Wegener (Eddie Redmayne). Ein verheirateter Mann, der erst allmählich entdeckt, dass er, beziehungsweise sie, im falschen Körper steckt.
Der Prozess der Metamorphose ist schön, aber vor allem leidvoll. Es dauert lange, bis Einar die seelische Veränderung schliesslich auch körperlich vollziehen kann. Möglich macht dies neben einem deutschen Arzt (Sebastian Koch) vor allem seine Ehefrau Gerda (Alicia Vikander). Diese begleitet ihn nicht bloss. Gerda trägt ihn regelrecht. Und das, obwohl sie selbst einen Leidensweg durchmachen muss.
Wenn das Gender-Spiel zur Notwendigkeit wird
Regisseur Tom Hooper erzählt das wunderbar ausgestattete Biopic recht konventionell. Aber konventionell muss ja nicht langweilig oder gar schlecht heissen: «The Danish Girl» ist ein Film, der mit grosser Akribie zu ergründen sucht, was in den beiden Menschen vorgeht.
Der Film lotet Einars Umgang mit den Geschlechteridentitäten aus. Er zeichnet präzise nach, wie das anfängliche Spiel zur Notwendigkeit wird. Wie plötzlich nicht mehr Lili die Verkleidung ist, sondern Einar – bis dieser gänzlich verschwindet. Spannend ist aber nicht nur die Verwandlung von Einar in Lili sondern auch der innere Kampf von Gerda. Diese spürt instinktiv, dass sie gegen das Entgleiten ihres Gatten nichts unternehmen kann.
Wenn sich im Lächeln die Seele spiegelt
Trotzdem reagiert Gerda zunächst mit Belustigung. Ja sie regt das, was auf den ersten Blick wie ein harmloses Travestie-Spiel wirkt, sogar an. Erst nach und nach weicht die äussere Unbekümmertheit der Wut. Dann setzen Trauer und Verzweiflung ein. Bis sie eine Lösung findet, sich von Einar zu verabschieden und sich mit Lili zu versöhnen: Indem sie Lili wieder und wieder malt.
Der Film versucht gar nicht erst, aus Lili eine heroische Galionsfigur der Transgender-Bewegung zu machen. Sie bleibt bis zum Schluss eine unsichere Person, die mit ihrer geschlechtlichen Identität ringt. Immer wieder sieht man, wie sich Lili in spiegelnden Flächen mustert. Wie sie hingebungsvoll ihre Bewegungen übt, sich anlächelt. In diesem Lächeln, das wohl kein anderer Schauspieler so gut hingekriegt hätte wie Eddie Redmayne, steckt unheimlich viel drin: Die ganze Erleichterung und Freude, endlich Frau sein zu dürfen.
Wenn Oscar-Nominationen reine Formsache sind
Doch nicht nur Redmayne brilliert; auch seine Filmpartnerin Alicia Vikander liefert eine oscarreife Performance ab. In einer ergreifenden Szene steht sie als Gerda verzweifelt vor Lili und sagt: «Wo ist Einar? Ich brauche jetzt meinen Ehemann!» Daraufhin schüttelt Lili nur den Kopf. Damit ist über die weitreichenden Folgen der Metamorphose alles gesagt – ganz ohne Worte.
Durchaus möglich also, dass der Brite Eddie Redmayne nach seinem letztjährigen Triumph bei den Oscars mit seiner Darstellung Stephen Hawkings in "The Theory of Everything" heuer den Titel als «Bester männlicher Hauptdarsteller» verteidigen wird. Die Schwedin Alicia Vikander darf sich ebenfalls Hoffnungen machen; eine Nominierung für den Golden Globe hat sie schon. Regisseur Tom Hooper hat somit einmal mehr vieles richtig gemacht.
Natürlich schraubt sein Biopic manchmal ganz gehörig an der Geschichte herum: So lässt er beispielsweise die Dänen Englisch sprechen. Nicht realitätsgetreu ist auch Gerdas Treue. Im Film begleitet sie Lili bis zur Operation. In Wirklichkeit war sie zu diesem Zeitpunkt längst wieder verheiratet und lebte in Marokko. All das ist freilich der Dramaturgie grossen Gefühlskinos geschuldet – was nicht nur bei der Academy grossen Anklang finden dürfte.
Kinostart: 07.01.2016