«Manuscripts don’t burn – Dast-Neveshtehaa Nemisoosand» ist einer jener Filme, bei denen man sich fragt, wie sie überhaupt entstehen konnten. Wie ist es möglich, die Droh-, Mord- und Überwachungsmechanismen einer Diktatur dermassen klar und offen zu schildern, wie es Mohammad Rasoulof hier tut?
Wie sein Kollege, Freund und Landsmann Jafar Panahi kam Rasoulof wiederholt in die Mühlen der iranischen Staatsjustiz. Er war im Gefängnis, man verbot Filme von ihm und er erhielt Ausreisesperren. Und wenn er ausreisen durfte, wie etwa 2011 ans Filmfest in Hamburg, dann musste er sehr vorsichtig sein in seinen Äusserungen gegenüber den Medien.
Das galt auch für seine Pressekonferenz am Filmfestival in Cannes im Mai 2013. Während «Manuscripts don’t burn» kaum etwas zu interpretieren offen liess, waren seine öffentlichen Aussagen zurückhaltend.
Mord im Auftrag der Regierung
«Manuscripts don’t burn» beginnt mit einem Auftragsmord oder zumindest mit den Auftragsmördern. Die beiden Männer, denen wir in den ersten fünf Minuten dabei zusehen, wie sie sich routiniert aus dem Staub machen, arbeiten für einen Geheimdienstmann, oder Zensoren, oder was auch immer er ist. Sie machen die Dreckarbeit. Und die ist wirklich dreckig: In diesem Moment sind sie gerade mit ein paar renitenten Schriftstellern beschäftigt. Die waren vor Jahren dabei, als ein ganzer Bus voll regimekritischer Denker in einen Abgrund gesteuert werden sollte – was eben der zuvor genannte Geheimdienstmann veranlasst hatte. Aber die Aktion schlug fehl und nun soll ein Manuskript existieren, das die ganze Geschichte aufrollt.
Das Erschreckende an der erzählerischen Anlage des Films ist der Umstand, dass eigentlich alle Beteiligten jederzeit darüber im Bild sind, was geschieht. Die Schriftsteller kennen ihren Widersacher, verhandeln mit ihm. Der eine will bloss noch ausreisen, um bei seiner Tochter in Frankreich zu sterben. Der andere ist so krank, dass er auf jeden Fall noch publizieren will.
Kultur im Iran
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Ein Alltag, der wie eine parallele Welt wirkt
Die beiden Handlanger sind einfache Männer. Einer hat einen kranken Sohn im Spital, telefoniert dauernd mit seiner Frau und rennt immer wieder zum Bankomaten, um zu sehen, ob das Geld für seinen letzten Auftrag endlich eingezahlt wurde – weil das Spital auf eine Vorauszahlung für die Behandlung des Kindes wartet. Und seine Frau erklärt ihm schliesslich, dass sein Sohn wahrscheinlich für die Sünden des Vaters büsse.
Zwischen Einbruch, Einschüchterung, Entführung, Folter und Mord spielt sich ein Alltag ab, der wie eine parallele Welt wirkt. Denn daneben leben ja noch alle anderen Menschen im Iran. Jene, die so tun, als ob nichts wäre. Oder wirklich nichts begreifen.
Subtile Kritik
Wenn man weiss, dass im Iran für jeden Dreh in der Öffentlichkeit eine Genehmigung der Zensurbehörde vorgeschrieben ist und dass diese jeweils zuerst das Drehbuch studieren wollen, dann kann man sich die Entstehung eines solchen Films nur als raffinierte Abfolge strategischer Täuschungen und logistischer Winkelzüge vorstellen. Drehgenehmigungen kann man schliesslich auch bekommen für Szenen, die eigentlich in ein anderes Drehbuch geschrieben wurden. Und was ein Film am Ende tatsächlich erzählt, entscheidet sich erst beim Schnitt.
Rasoulofs Film folgt Geschehnissen aus den 1990er-Jahren und stellt somit historische Bezüge dar, um ostentativ Kritik am gegenwärtigen iranischen Regime zu üben. Doch Rasoulof lebt in Deutschland und sein Film wird im Iran kaum je zu sehen sein. Es sei denn über den blühenden Schwarzhandel mit klandestin gebrannten DVDs.
Des Staates Aufträge sind göttlicher Natur
Und dafür stehen die Chancen gut, weil «Manuscripts don’t burn» nicht einfach ein politischer Thriller ist, sondern ein meisterhaft erzählter und gebauter Film über Menschen mit unterschiedlichen Denk- und Motivationssystemen. Die beiden Häscher, mit denen er einsetzt, stellen sich zwar schon hin und wieder die Frage nach der Richtigkeit ihres Tuns. Aber lange über die Antwort nachdenken müssen sie nicht: Denn im Gottesstaat ist der staatliche Auftrag immer auch ein göttlicher.
Warum sein Sohn trotzdem leiden muss, versteht Khosro allerdings nicht wirklich. Und es führt bei ihm immer wieder zu Skrupeln, welche sein Vorgesetzter Morteza beiseite wischt. Morteza lässt den Kollegen denn auch mal rücksichtsvoll beim Auto warten, während er einen Dorfjungen ertränkt, der zufällig Zeuge einer Hinrichtung wurde.