Spätestens mit Take Shelter (2011) hat sich Jeff Nichols in eine eigene Filmemacher-Liga katapultiert. Die Geschichte um den von Michael Shannon gespielten paranoiden Familienvater, der schliesslich doch mehr zu wissen schien als der Rest der Welt, ist im Gedächtnis geblieben.
Alle sind hinter dem Jungen her
So sehr auf jeden Fall, dass der gleiche Michael Shannon als Entführer eines Jungen das Publikum schon zu Beginn von «Midnight Special» auf seiner Seite hat. Die Werbung am TV ist zu hören, bevor die schwarze Leinwand endlich hell wird. Und mit dem ersten Licht kommt die Fahndungsmeldung und ein Foto von Michael Shannon. In diesem Film heisst er Roy.
Und der Achtjährige, der mit Hörschutz und Schwimmbrille im Schlafzimmer ein Superman-Comic liest, ist Roys Sohn. Er hat ihn mit Hilfe eines befreundeten Polizisten von der Ranch eines texanischen Sektenpredigers entführt. Und nun ist auch noch das FBI hinter ihnen her.
Ein Mensch als Transmitter von Wellen
Jeff Nichols neuer Film baut seine Mystery-Spannung langsam auf, wie in einem Fall aus den X-Files. Der Junge muss spezielle Fähigkeiten haben, das wird dem Publikum schnell klar. Der Sektenführer hat Auszüge seiner in Anfällen gemurmelten Sätze in Predigten eingebaut. Und das FBI hat in den Predigten Spuren geheimer Regierungs-Kommunikationen über Satelliten entdeckt.
Als der Junge auf der nächtlichen Flucht auf dem Autorücksitz plötzlich spanisch zu reden beginnt, weist der Vater seinen Kumpel an, am Autoradio die Stationen durchzugehen. Und tatsächlich sind der Junge und ein spanischsprachiger Lokalsender bald synchron am Reden.
Alton, so heisst der Junge, empfängt Radiowellen. Er hört auch Satelliten. Und er ist eine Art Transmitter. Mehr soll hier nicht mehr verraten werden, auch wenn der eigentliche Plot nicht das Herz dieses Films ausmacht.
Star-Wars-Ballast wiegt schwer
Nichols erzählt wieder von einem Vater, der bedingungslos seine Familie zu schützen versucht. Die Umstände sind andere. Kirsten Dunst spielt die Mutter; der Film erinnert zuweilen an Spielberg, vor allem E.T., aber auch Sugarland Express und andere Roadmovies.
Die Wiedererkennungseffekte sind nicht alle gleich glücklich. Vor allem, wenn Adam Driver als Kommunikations-Spezialist der NSA auftaucht, zeigt sich, dass plötzlicher Superstar-Ruhm wie seine Rolle in Star Wars: The Force Awakens auch negative Folgen haben kann: Kylo Ren als linkischer Nerd wirkt zuerst einmal einfach komisch. Und das liegt absolut nicht an Drivers schauspielerischer Leistung, sondern ausschliesslich am Star-Wars-Ballast.
Was bleibt, sind die Gesichter
Seine Stärken als Regisseur bringt Jeff Nichols einmal mehr mit dem schwebenden Spannungsaufbau ein. Wenn das amerikanische Unterhaltungskino unterscheidet zwischen «plot driven movies» und «character driven movies», dann ist Nichols einer der neuen Meister darin, die Figurenzeichnug der Handlung überzuordnen.
Und das rettet denn auch diesen Film am Ende. Denn der Plot hält leider so ziemlich alles, was er verspricht, und illustriert das gar in einer finalen Spezialeffekt-Orgie. Aber was bleibt, sind die Gesichter der Schauspieler, die Verzweiflung und die Angst in einigen Momenten, und das Licht einer Überzeugung in anderen.