Ernsthaft jetzt! Natürlich gibt es keine geheimen Zusammenhänge zwischen dem bedächtigen, von Ruedi Walter verkörperten TV-Privatdetektiv Max Männdli und Jason Bourne, dem ursprünglich von Robert Ludlum in den 1980ern erdachten CIA-Superagenten, der heute gemeinhin als James Bonds High-Speed-Reinkarnation im 21. Jahrhundert gilt. Oder etwa doch?
Folge 6 der ersten Staffel von «Ein Fall für Männdli» (Titel: «Die grosse Chance») widmet sich dem Transferzirkus im Profifussball. Franziskus Abgottspon, später eine DRS-Grösse hinter dem Mikrophon, mimt dabei im Helanca-Stretch-Trainer den Goalie einer Nati-A-Mannschaft, der dem Lockruf der Bundesliga zu erliegen droht.
Dies zum Entsetzen seiner Ehefrau, die auf keinen Fall nach Deutschland ziehen will. Zur Freude wiederum aber vom Spielervermittler, der, gekleidet in einen bizarren Kaninchenfell-Mantel, die grosse Kohle riecht.
Landesverteidgung und Hollywood
Nun ist es ja so, dass man bei der Restauration alter TV-Serien und Filme die Namen der Darsteller (die keiner mehr kennt) gerne durch die IMDb jagt – eine der grössten Filmdatenbanken des Netzes – um so über Filmtitel dem Lebensweg nämlicher Person folgen zu können.
Bei Franziskus Abgottspon ergibt die Suche unter anderem: «Lawinenpatrouille», «Heidi», «Messidor», «Matto regiert» und ... «The Bourne Identity». Eine hübsche Mischung aus geistiger Landesverteidigung («Lawinenpatrouille»), Schweizer Autorenkino («Messidor») und – Überraschung! – Hollywood («The Bourne Identity», in dem Abgottspon einen kurzen Auftritt als Zürcher Taxifahrer hat).
«Die ewige Wiederkehr des Neuen»
Bei genauerem Hinschauen dann die Erkenntnis: «The Bourne Identity» gab's bereits vor Matt Damon – 1988, mit Richard Chamberlain. Die Fähigkeit der Kulturindustrie, aus alt neu machen zu können – Walter Benjamin nannte das «die ewige Wiederkehr des Neuen» – ist schon beeindruckend.
Im selben Atemzug wird die Vergangenheit entsorgt, was zu einer gewissen Geschichtsvergessenheit führt. Denn Historie interessiert nur dann noch, wenn sich das ferne Fremde im zeitgenössischen Kontext in einen Retro-Verwertungszyklus einspeisen lässt.
Unheimlich heimelig
Wenn nun die Krimi-Serie «Ein Fall für Männdli» fast ein halbes Jahrhundert nach der Erstausstrahlung auf die Mattscheibe zurückkehrt, eröffnet das den Zugang zu historischen Tiefenschichten.
Sorgfältig restauriert und in Farbe wirkt hier eine Ovomaltine-Schweiz auf den Zuschauer, die ihm, wie die Welt von «Twin Peaks», gleichzeitig unheimlich und vertraut vorkommen mag.
Schweizer TV-Welten – aber nur auf Hochdeutsch
Man beobachtet Menschen bei seltsamen Alltagsritualen, sieht sie in einer fremd-vertrauten Umgebung und hört sie in einer verständlichen, aber doch ganz eigentümlichen Sprache sprechen.
Dieser Eindruck verstärkt sich dadurch, dass KEINE Schweizerdeutsch gesprochene «Männdli»-Fassung existiert.
Ruedi Walter auf Abwegen
Neben heute noch bekannten Grössen wie Ursula Schaeppi, Hannes Schmidhauser, Erwin Kohlund, Jörg Schneider, Walo Lüönd oder Birgit Steinegger tauchen aus der Tiefe der Zeit Titel und Namen auf, die erst bei näherem Hinschauen zu sprechen beginnen.
So im Fall des Films mit dem tollen Titel «Unruhige Töchter». Auf den stösst, wer Männdli-Darsteller Ruedi Walters Filmografie auf Unbekanntes durchforstet.
Ergoogelt man sich den Trailer zum ominösen Werk, erfährt man, wo Heroen des alten Schweizer Films wie Ruedi Walter unterkommen konnten, nachdem im krisengeschüttelten deutschen und Schweizer Kino der späten 1960er-Jahre oft nur noch softe Sexfilme gewinnbringend in die Säle gebracht werden konnten.
Für ein Flittchen zurück aus Italien
Einen Blick in die Pandorabüchse bietet auch die dritte Episode (Titel: «Die Verrückte»), in der als Flittchen Evelyn Kraft (1951 – 2009) zu sehen ist. 1973 brachte die Zürcherin bereits erste Filmerfahrungen aus Italien mit in die Schweiz.
Trashgranate mit Riesengorilla
Es folgte im selben Jahr eine Rolle als Vamp in «Die Fabrikanten» von Urs Aebersold und Clemens Klopfenstein. Zweimal bretterte sie danach mit «Dudu» – der deutschen Variante von «Herbie», dem berühmtesten Film-VW-Käfer aller Zeiten – in «Ein Käfer auf Extratour» (1974) und «Das verrückteste Auto der Welt» (1975) über den Asphalt bis sie 1977 in Asien landete, wo in der Trashgranate «The Mighty Peking Man» der Riesengorilla Utam auf sie wartete.
Als Samantha schwang sich Kraft hier durch einen Topfpflanzen-Dschungel während ihr haariger Kumpel Hongkong zerlegte. Der Film wurde zum Longseller, mit dem sich angeblich das Publikum in Mumbai noch heute die lauen Nächte um die Ohren haut. Und Quentin Tarantino war so beeindruckt, dass er sich die Rechte an «The Mighty Peking Man» auf ewig hat sichern lassen.
Irrwege durch eine vergangene Welt.
Jede der 26 Männdli-Folgen hält so ihre Überraschungen bereit. Irr- und Holzwege sonder Zahl führen hier ins Darknet einer analogen Welt vor iPhone, Google, Twitter und Facebook.
Und wer mehr will, als einfach nur lachen über die angeblich so wohlgeordnet-miefige Schweiz der 1970er-Jahre, wird von Max Männdli nicht enttäuscht werden.