Als die Produzenten Alexander und Ilya Salkind 1978 beschlossen, «Superman» richtig und ernsthaft auf die Leinwand zu bringen, war das grösste Problem, dass die meisten potentiellen Geldgeber nicht dran glaubten, dass eine Comic-Figur richtig und ernsthaft im Realfilm funktionieren könnte.
1 Million Dollar für Marlon Brando
Darum suchten sich die Salkinds Verkaufsargumente ausserhalb der Story und der Figur, die mit den Erinnerungen an den Serienhelden George Reeves besetzt waren, wie Tarzan mit Johnny Weissmüller. Einer der Trümpfe der Salkinds war der unbekannte britische Schauspieler Christopher Reeve, der mit seinem Namen und mit seiner Erscheinung perfekt ins Bild passte. Ein weiteres Argument war die fortgeschrittene Tricktechnik im Realfilm. «You will believe a man can fly» war eines der Versprechen der Salkinds. Zudem war der Storyautor, den sie angeheuert hatten, überraschenderweise Mario Puzo, der Autor, der mit seinen «Godfather»-Büchern berühmt geworden war.
Aber das Killer-Argument für Ilya Salkind war, dass es ihm gelungen war, Marlon Brando zu verpflichten. Er spielt Jor-El, den leiblichen Vater von Superman auf dem Planeten Krypton. Die bis dahin unerhörte Gage, eine Million Dollar für einen rund zehnminütigen Auftritt, war ein gewichtiges Marketing-Argument in der Kampagne. Und die Geschichte, dass Marlon Brando vorgeschlagen habe, Jor-El von einem grünen Koffer spielen zu lassen, aus dem seine Stimme kam.
Ein neuer Superman muss her
Das war 1978, in der Zeit unmittelbar nach «Jaws» and «Star Wars», als das konzertierte Blockbuster-Kino mit seinen Franchising-Konzepten eben erst erfunden worden war. Rund vierzig Jahre später ist es nicht mehr so einfach, einer potentiell komischen Vorlage einen wirklich ernsthaften Anstrich zu geben. Es braucht dazu Christopher Nolan als Produzenten, jenen Mann, der Batman zum Psychopathen und damit überraschend erfolgreich gemacht hat. Es braucht einen neuen, unverbrauchten Superman. Und es braucht einen neuen Marlon Brando als kryptonischen Erzeuger des künftigen «Man of Steel». Wir sind angelangt im Jahre 2013, im digitalen 3D-Kino.
«Goodbye, my Son», sagt Jor-El, alias Russel Crowe, auf dem explodierenden Planeten Krypton. Er schickt seinen Neugeborenen als letzten Überlebenden in einer Kapsel auf die Erde. Und die Mama meint noch, der Kleine werde da ein Aussenseiter sein, die Menschen würden ihn töten. Aber nein, meint Papa: «Er wird ein Gott sein für sie».
Mehr Menschlichkeit und Verletzlichkeit
So weit hält sich auch der neue Film an die alte Genesis von Superman, wie sie Millionen von Fans kennen, seit Jerry Siegel und Joe Shuster die Comicfigur in den 1930er Jahren geschaffen haben. Der Ausserirdische kommt als Erlöser unter die Menschen – aber die sind nicht reif für sein Geheimnis. Also verkleidet er sich im Alltag als Reportert Clark Kent und bleibt als Superman im blau-roten Dress eine geheimnisvolle «force de frappe» im Hintergrund.
Da aber Batman und Spiderman im Kino erst wieder zu Erfolgen wurden, als ihre Neuschöpfer die Menschlichkeit und Verletzlichkeit der angeblichen Superhelden in den Vordergrund stellten, versucht dies der neue Film ebenfalls. Der kleine Kal-El ist auf der Erde erst mal überfordert von seinen eigenen Superfähigkeiten. Alles ist zu hell und zu laut – nicht überraschend bei einem Kind mit Röntgenblick und Supergehör.
Vom Superman zum Möchtegern-Mensch
Der Pflegepapa, gespielt von Kevin Costner, erklärt dem Jungen seine Fähigkeiten: «Du bist die Antwort auf die Frage, ob wir allein sind im Universum.» Doch Superman fühlt sich nicht wohl in seiner Rolle. «Kann ich nicht einfach weiterhin so tun, als ob ich dein Sohn wäre?», fragt er seinen Vater. «Du bist mein Sohn, aber ich muss daran glauben können, dass Du aus einem bestimmten Grund hier auf die Erde geschickt wurdest. Und solltest Du auch dein ganzes Leben dafür brauchen, Du bist es Dir schuldig, den Grund für dein Hiersein zu finden.»
Autsch. Da haben wir uns achtzig Jahre lang darüber amüsiert, dass Superman sich hinter dem linkischen Clark Kent verstecken muss, dass er seine Kräfte und Fähigkeiten für den Ernstfall verbergen musste. Und nun stellt sich heraus, dass der das gar nicht komisch findet. Im Gegenteil: Superman leidet darunter, kein Mensch zu sein.
Ein Fall für den Arbeitsplatzpsychologen
Das geht zu weit. In ihrem Bemühen, die übermenschliche Figur Superman (der Name geht schliesslich auf Nietzsches Idee vom «Übermenschen» zurück) menschlich zu machen, haben die Schöpfer dieser neuen Kinofranchise versucht, ihm alles auszutreiben, was ihn einzigartig machte. Es dauert eine volle Stunde im Kino, bevor zum ersten Mal der Name «Superman» fällt. Und sogar da ist es bloss ein verschämter Witz. Dafür ist der Rest des über zwei Stunden langen Films peinlichst ironiefrei – bis hin zur obligaten weltenrettenden Zerstörungsorgie am Schluss.
Jetzt ist auch Superman zu einem langweiligen Fall für den Arbeitsplatzpsychologen geworden, wie wir alle. Vielleicht aber erklärt genau dies den erstaunlichen US-Kassenerfolg des Films: Als Ausserirdischer war auch Superman bloss ein illegaler Immigrant. Als einsamer Zweifler in einer feindlichen Arbeitswelt jedoch ist er plötzlich ein waschechter Amerikaner.