«Tempo Girl – Die Geschichte einer Generation» hiess der Film noch vor einigen Monaten. Nun, da er in unseren Kinos läuft, ist dieser Untertitel weitgehend aus dem Werbematerial verschwunden. «Tempo Girl – Eine Liebesgeschichte von Dominik Locher» steht da jetzt, schon eine Spur bescheidener.
Vielleicht war der Anspruch, mit diesem Film ein ganzes Generationenporträt abwickeln zu wollen, doch etwas hoch gegriffen. Aber der ursprüngliche Untertitel sagt einiges aus über das enge Verhältnis des Filmschaffenden Dominik Locher zu seiner weiblichen Hauptfigur, Dominique Piepermann (Newcomerin Florentine Krafft). Denn sie ist nicht nur dem Namen nach ein fiktives Alter Ego des Filmschaffenden.
Nach «It's shit» geht's ab ins Wallis
Die junge Dominique Piepermann ist Schriftstellerin, und auch sie ist der Überzeugung, aus ihrem persönlichen Werdegang das Empfinden einer ganzen Generation ableiten zu können. «Generation Krise», nennt sie das dann. Und tippt auf ihrem Laptop noch dazu: «Alles kann, nichts muss.»
Dass in der Tat überhaupt nichts muss, das findet auch Dominiques Verleger, gespielt von Anatole Taubmann. Er knallt ihr das Manuskript auf den Tisch mit der lapidaren Bemerkung: «It's shit.» Wahrscheinlich erlebt er nicht zum ersten Mal, dass ein Berliner Hipster-Girl der Auffassung ist, das Lebensgefühl sämtlicher Zeitgenossen in Worte fassen zu müssen – ohne dabei auch nur ansatzweise einen Blick über den Tellerrand gewagt zu haben.
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Die junge Dominique reagiert auf diesen Verriss höchst eigenwillig: Sie packt ihren Freund, den rundlichen Kebab-Verkäufer Deniz (José Barros), steigt in ein Auto und fährt mit ihm ins Wallis. Eine Radikalportion Leben soll dieser Trip werden. Damit Dominique endlich Stoff hat, den sie zu Papier bringen kann. Diesen Stoff wird sie in den weiten Schweizer Alpen bekommen, in nahezu tödlicher Dosis.
«Generation Krise» als Lebensgefühl
Regisseur Dominik Locher spricht durch seine Protagonistin von der «Generation Krise». Und meint damit Menschen um die 25, welche die mit der Geburt einsetzende mediale Berieselung über weltgeschichtliche Ereignisse (den Fall der Mauer, die Freilassung Mandelas, den Tod von Diana) mit ihrem Leben gleichsetzen – und dabei noch gar nie «draussen» waren.
Locher selbst hingegen ist viel draussen gewesen: an unterschiedlichen Orten in der Schweiz gross geworden (das Wallis nennt er seine Heimat), danach viel gereist und umgezogen, in zahlreichen Jobs tätig, artistisch an diversen Fronten präsent. All das findet nun Einlass in seinem ersten, wilden Spielfilm, gemeinsam mit einer enormen Bandbreite an künstlerischen Inspirationsquellen: Pop-Kultur, Trash-Ästhetik, Samuel Beckett, Quentin Tarantino, Heimatromane, Postfeminismus, deutsches Regietheater der Siebziger und viel breites «Walliserditsch».
Lochers Liebesbegriff
Diese angehäuften stilistischen Elemente stehen sich in «Tempo Girl» manchmal auf die Füsse, und nicht alles verträgt sich. Offensichtlich hält sich Locher an das Credo seiner Protagonistin: «Alles kann, nichts muss.» Und so erklärt es sich auch, warum ein Generationenporträt und eine Liebesgeschichte von Dominik Locher letztlich austauschbar sind: Lochers Liebesbegriff reicht weit über die – ebenfalls sehr schöne – Partnerschaft von Dominique und Deniz hinaus, und umfasst mehr oder weniger alles, was man mit Menschen teilt, die so ungefähr den gleichen Jahrgang haben.