20 Jahre nach seinem international gefeierten Meisterwerk «Höhenfeuer» stellte Fredi M. Murer 2006 wieder einen besonderen Jungen ins Zentrum einer Filmgeschichte: Vitus. Die zunächst sechs-, später zwölfjährige Hauptfigur (Fabrizio Borsani, Theo Gheorghiu) - ist ein märchenhaft begabter und intelligenter Bub, der sich von seiner Umgebung zunehmend unverstanden fühlt. Insbesondere seine Mutter (Julika Jenkins), eine Engländerin, die als Übersetzerin in einem Verlag arbeitet, forciert die Pianisten- und Schulkarriere ihres «Wunderkindes», während der Vater (Urs Jucker) zwar freudig staunt, aber ansonsten allzu sehr mit seinem Berufsleben als Akustiker im Hörgeräte-Konzern «Phonaxis» beschäftigt ist.
Im wahrsten Sinne hoch hinaus
Eine Gegenwelt zum Wohlstandsstreben in «Downtown Switzerland», wahres Verständnis und innige Freundschaft findet Vitus bei seinem Grossvater (Bruno Ganz), einem eigensinnigen, leicht widerborstigen Gebrauchsphilosophen, der in seiner alten Schreinerei auf dem Land lebt. Ihm gesteht der Bub auch, lieber einfach normal und wie alle andern zu sein, als der kleine Mozart oder Einstein, der er nun ist. Zusammen mit dem Grossvater träumt er den Traum des Fliegens - und findet dank dessen Hilfe auch den Ausweg, mit dem er sich dem Druck der Eltern und der Gesellschaft zeitweilig entziehen kann. Nach einem «Kopfsprung» lebt Vitus im wahrsten Sinne des Wortes ein Doppelleben, das ihm eine Existenz als normalen Bengel, aber auch Pianisten und gar am Ende sagenhaftes Börsenphantom erlaubt.
Vitus ist eine universelle Geschichte, eine Liebeserklärung an die Kindheit und an die Musik, leichtfüssig-humorvoll und poetisch erzählt. Mit seinem Thema eines mit vielen Talenten versehenen Menschen, der sich den gesellschaftlichen Konventionen widersetzt, und mit seinem kinematographischen Interesse an der Welt der Sinne, ist es ein «typischer Murer-Film», und mehr noch der Film, den der vielfach ausgezeichnete Regisseur «schon immer einmal machen wollte».