Beat Schneider, warum zeigen Sie diese Reihe von 3D-Filmen am Bildrausch Filmfest?
Beat Schneider: Es gab verschiedene Impulse. «Gravity» von Alfonso Cuarón war für mich der erste Film, der wirklich als 3D-Film funktionierte. Dort gehen der dreidimensionale Raum und die Geschichte wunderbar ineinander auf. Und bei Festivals entdeckt man immer wieder Künstlergruppen, die mit 3D arbeiten – auf der diesjährigen Berlinale lief das epische Werk «Kathedralen der Kultur», kuratiert von Wim Wenders mit Beiträgen von vielen Regisseuren.
Drei Stunden lang habe ich intensiv 3D geschaut, bin dann raus und gleich in den nächsten, nur zweidimensionalen Film. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, was 3D wirklich kann: Diese Tiefe im Bild, dieser Raum, in dem man sich verlieren kann!
Schliesslich ist Matthias Wittmann auf das Stadtkino zugekommen mit dem Vorschlag, eine 3D-Reihe zu zeigen. Uns war sofort klar, dass das zum Basler Bildrausch Festival passt, denn im Wort «Bildrausch» steckt schon das Nachdenken über das Bild mit drin.
Man tüftelt im Kino ja schon lange an der dritten Dimension herum …
Matthias Wittmann: Ich würde fast sagen, 3D ist eine Art verdrängter Begleiter der Filmgeschichte, überhaupt der Geschichte der visuellen Kultur. Es gab in der Kinogeschichte sehr viele missglückte Versuche, 3D durchzusetzen. In den 50er-Jahren etwa ist 3D grossartig gescheitert. Aber aus diesen Tüfteleien entstanden die neuen Breitleinwand-Formate Cinerama und Cinemascope, die ja nach heutiger Definition klassisches 2D sind. Es ist interessant, dass damals unter dem Begriff 3D alles verstanden wurde, bei dem das Bild über den Rahmen hinaus expandierte.
Das «echte» 3D hat sich aber lange Zeit nicht durchgesetzt – und als James Camerons «Avatar» 2009 in die Kinos kam, haben viele Skeptiker geunkt, dass das nur ein kurzes Revival sei.
Warum hat es sich nun doch so lange gehalten?
Matthias Wittmann: Viele Unannehmlichkeiten, die die 3D-Technik früher mit sich gebracht hat – Kopfschmerzen, zu dunkle Bilder – sind dank der digitalen Technik beseitigt worden. Man kann heute fast von neuen, grundlegenden Rahmenbedingungen des Kinos sprechen.
Was kann 3D besser als das herkömmliche Kino?
Matthias Wittmann: 3D hilft nicht, die Realität noch besser im Kino abzubilden, im Gegenteil: 3D schafft neue künstliche Bildräume. Es bringt uns in ein neues Verhältnis zur Fläche, beziehungsweise zur Leinwand. Und es gilt zu untersuchen, wo die Störungen, die Risse und die Irritationen in dieser Fläche sind. Darüber können wir uns den neuen Bildräumen annähern.
Das 3D-Kino ist noch immer daran, sich zu etablieren. Das Festival widmet ihm nun eine ganze Reihe. Wo steht diese neue Kinoform heute?
Beat Schneider: Das 3D-Kino kommt weg vom reinen Unterhaltungsphänomen. In der Filmgeschichte war 3D immer mit Spektakel verbunden. Heute geht es viel stärker um die Erweiterung des Bildes. Dabei ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen. Und es entstehen neue ästhetische Qualitäten. 3D wird auch über das reine Kinoerlebnis hinaus interessant – wir haben zum Beispiel einen Wissenschaftsfilm ins Programm aufgenommen, den das Paul Scherrer Institut und die Universität Oxford gemacht haben. Denn auch in der Forschung wird das 3D-Bild immer wichtiger.