Wenn Werner Herzog beschliesst, dem «weiblichen Lawrence of Arabia» ein filmisches Denkmal zu setzen, dann darf man mit Überraschungen rechnen. Die grösste ist vielleicht die, dass ihm mit Nicole Kidman in der Titelrolle tatsächlich ein schwelgerisches Kino-Epos gelungen ist, eines, das seufzende Hingabe beim Publikum durchaus begünstigt.
Epos und Ironie
Der Film ist allerdings nicht nur das. Denn Herzog hat längst seinen eigenen Meta-Stil entwickelt: Er kombiniert die grosse Geste mit der grossen Ironie, und das tut er meisterlich. Wirklich hinreissend ist in dieser Hinsicht die Eröffnungssequenz des Filmes. Britische Offiziere und Churchill verhandeln am Strategie-Tisch die Aufteilung des mittleren Ostens, des zerfallenden osmanischen Reiches. Sollen sich doch die Franzosen mit den unregierbaren Kurden herumschlagen, und überhaupt seien die ganzen Gebiete auf Jahrzehnte hinaus dem politischen Chaos geweiht, wird orakelt.
Das ist aus heutiger Perspektive zynisch und zutreffend zugleich. Dazu passt, dass als Kenner der Materie der wohlbekannte
T. E. Lawrence, bekannt als «Lawrence of Arabia», am Tisch steht. Gespielt natürlich nicht von Peter O'Toole, sondern von Robert Pattinson.
«That Woman»
Als Churchill sich erkundigt, wer denn die Wüstenstämme, die Beduinen, die Drusen und all die verfeindeten Clans am besten kenne, wird einer der Herren vollends ausfällig und schimpft auf «that woman». Schnell wird klar: Es gibt nur einen Menschen, der sie alle kennt und das Vertrauen der meisten geniesst: die britische Explorerin Gertrude Bell.
Ihr wird die Rolle der Königsmacherin zuteil werden, sie wird es sein, welche nach dem ersten Weltkrieg die Haschemiten im Irak und in Jordanien an die Macht bringt, als Könige von Grossbritanniens Gnade, als Garanten für politische Stabilität. Und wieder gilt: Herzogs stummer Kommentar zum Geschehen ist ein heutiger, und durchaus bissiger.
Nicole Kidman als Gertrude Bell
Dann springt der Film zurück und erzählt in weiten Zügen das wildromantische, selbstbestimmte und auch tragische Leben der Gertrude Margaret Lowthian Bell. Nicole Kidman schafft das Kunststück, die junge Frau eben so strahlend schön und souverän zu verkörpern wie die gereifte und vom Wüstensand gegerbte Forscherin der späteren Jahre. Das liegt natürlich nicht zuletzt an Werner Herzogs Einsatz der Kinotraummaschine.
James Franco spielt Bells erste grosse Liebe: Henry Cadogan ist Botschaftssekretär und Kenner der arabischen Welt und Dichtung, sowie ein notorischen Spieler. Damian Lewis («Homeland») ist als walisischer Offizier Charles Doughty-Wylie die zweite grosse (und unerfüllte) Liebe. Mit dieser Besetzung spricht Herzog zielsicher alle «Gone with the Wind»-Instinkte an. Und mit Gertrudes souveränem und aufgeschlossenem Umgang mit den Menschen in ihrem Forschungsgebiet greift er das romantische Ideal von – logisch – «Lawrence of Arabia» auf.
Ein Film mit zwei Gesichtern
Wunderschöne Wüstenaufnahmen, edle Scheiche, Pferde, Dromedare: Alles ist da, um die längst versunkene Kinoromantik der arabischen Fantasiewelt zum Leben zu erwecken. Und gleichzeitig lässt Herzog die Realität, die Gegenwart, die Machtpolitik immer wieder durchblitzen.
Das macht «Queen of the Desert» zu einem Filmgenuss mit Widerhaken. Es ist gewissermassen ein Film mit zwei Gesichtern. Das romantische Traumgesicht ist da, die Fratze der Realität blickt aber immer auch auf die Sehnsuchtslandschaften hinter den Dünen und hinter der Leinwand.