Roger Lennox (Alain Delon) geht allein eine Landstrasse am Genfersee entlang, als er von einem Lastwagen angefahren wird. Die Gräfin Elena Torlato Favrini (Domiziana Giordano), die gerade vorbeifährt, sieht Lennox und hilft ihm auf die Beine, nimmt ihn mit auf ihr Landgut und kümmert sich um ihn. Mehr noch: Sie gibt ihm eine leitende Stelle in ihrem Konzern und macht ihn zu ihrem Geliebten. Aber Roger kann sich in diese Welt nicht einfügen und wird depressiv. Das Einzige, was er mache, sei Mitleid erregen, meint er. Elena wird seiner überdrüssig. Bei einer Bootsfahrt auf dem Genfersee zerrt sie den Nichtschwimmer ins Wasser und lässt ihn ungerührt ertrinken.
Unverhoffter Doppelgänger
Monate vergehen. Da taucht ein Mann auf, der sich als Rogers Bruder Richard Lennox ausgibt und dem Ertrunkenen zum Verwechseln ähnlich sieht. Elena ist beunruhigt, aber auch fasziniert. Richard ist viel initiativer als Roger und setzt Elena bald unter Druck. Er will in ihrem Geschäftsimperium aufsteigen, was Elenas Partner missbilligen. Und eines Tages unternimmt Richard eine Bootsfahrt mit Elena - nun sind die Rollen vertauscht.
Liebesgeschichte voller Referenzen
Jean-Luc Godard benennt seinen Film «Nouvelle Vague» nicht nur nach jener revolutionären cineastischen Bewegung, die er in den 1950er-Jahren mitbegründete, sondern lässt darin einmal mehr erkennen, welches seine Inspirationsquellen sind: Wie schon in seinem Erstling «À bout de souffle» spielt er mit Motiven des Film noir und besetzt einen der grossen Stars des französischen Films - nach Jean Paul Belmondo hier nun dessen Widerpart Alain Delon. Dieser hatte vor Jahren in «Plein soleil», René Cléments Adaption von Patricia Highsmiths Roman «The Talented Mr. Ripley», einen Mann gespielt, der einen Rivalen ertränkt und daraufhin dessen Identität annimmt. Godard spickt seine nur skizzenhaft und verschachtelt erzählte Liebesgeschichte mit Anspielungen auf die Bibel, Dantes «Inferno», Schiller, Kafka, Max Ophüls und Raymond Chandler, um nur einige zu nennen. Schrifttafeln mit Zitaten von Lukrez, Vergil und anderen Denkern brechen die fiktionale Illusion auch visuell auf.
So besteht denn der Reiz von «Nouvelle Vague» nur am Rande in seiner Handlung und in den pittoresken Schauplätzen, die Godard in der Umgebung seiner Heimat am Genfersee gefunden hat. Vielmehr verweist der Film immer wieder weit über sich hinaus und wirft mehr Fragen auf, als er Antworten gibt.