Die Zukunft des Kinos ist ungewiss. Denn längst müssen wir selbst für den neusten Kinohit das Haus nicht mehr verlassen – Streaming sei Dank. Diese digital getriebenen Veränderungen haben weitreichende Auswirkungen auf die globale Filmwirtschaft.
Eine Folge davon ist die «vertikale Integration», in der Filmbranche das Schlagwort der Stunde. Es bezeichnet die Eliminierung des Zwischenhandels, das heisst: Wer die Filme produziert, bringt sie auch in Eigenregie zum zahlenden Publikum.
Eine mögliche Folge der «vertikalen Integration» beschreibt der Westschweizer Filmproduzent Thierry Spicher: Er hält es für wahrscheinlich, dass die grossen Filmproduzenten mit ihren Streaming-Plattformen die grossen Kinoketten als kurzfristige Startrampen für ihre Blockbuster aufkaufen. Dafür sprechen etwa die konkreten Pläne von Amazon, die angeschlagene US-Kinokette AMC zu übernehmen.
Solidarität statt gegenseitige Verdrängung
Edna Epelbaum, Kinobetreiberin und Präsidentin des Schweizer Kinoverbandes, ist trotzdem verhalten optimistisch: «Einerseits glaube ich, dass jedes Filmstudio seine eigene Streaming-Plattform braucht. Gleichzeitig aber bleiben Kinos für die Studios auch in Zukunft wichtig. Kinos schlagen die Brücke zwischen Produzenten, Verleihern und dem Publikum.»
Um so wichtiger werde für Schweizer Kinobetreiber darum aber die Öffnung für ein breiteres Publikum, der verstärkte Einsatz der Kinobetriebe als Erlebnisorte, als Treffpunkte, als Diskussionsplattformen über den reinen Filmbetrieb hinaus.
Gleichzeitig brauche es die Zusammenarbeit aller Akteure in der Schweiz: nicht nur die der Kinobetreiber untereinander, sondern auch den gemeinsamen Auftritt mit den Filmverleihern und mit den lokalen Produzenten. Lokale Solidarität für die Filmkultur statt gegenseitige Verdrängung.
Aus einer Hand organisiert
Ein Schweizer Produktionshaus hat den letzten Schritt zur lokalen vertikalen Integration bereits vollzogen: DCM übernahm letzen Sommer die Zürcher Arthouse-Kinos.
Das biete klare Vorteile, sagt Stephanie Candinas von DCM Film Distribution. Für die DCM-eigenen Filmproduktionen und -Koproduktionen, wie etwa den Astrid-Lindgren-Film «Astrid», könne die ganze Promotionsarbeit inklusive Kontakt mit den Filmemachern und eventuellen Kinogesprächen aus einer Hand organisiert werden.
«Es ermöglicht uns, von Beginn an in Kontakt zu sein mit den beteiligten Regisseuren und Produzenten», sagt Stephanie Candinas. «Dadurch können wir die Beziehungen so gut aufbauen, dass gezieltes Marketing für einen Film im Filmverleiherbereich möglich ist. Bis zum Kinosaal, wo wir das Feedback direkt vom Zuschauer haben.»
Auch wenn der DCM-Verleihkatalog und die Eigenproduktionen nicht ausreichen, um die Arthouse-Kinos damit exklusiv zu bestücken, erleichtern eigene Kinobetriebe die Planung und die Flexibilität. So will Stephanie Candinas auch nicht ausschliessen, dass dereinst etwa das Berliner Delphi-Kino, aus dem der von DCM übernommene Verleih hervorgegangen ist, in ein ähnliches lokales Konstrukt integriert wird.
Nur Zusammenarbeit hat Zukunft
Die vertikale Integration erzeugt Marktmacht. Mittlerweile werden darum auch in der Schweiz Besitzverhältnisse nicht mehr versteckt, sondern demonstriert.
Die Kitag-Gruppe, die rund 80 Leinwände betreibt, heisst neu «Blue Cinema»: «Blue» ist dabei die Dachmarke der Besitzerin Swisscom. Der Swisscom-Kabelanbieter Teleclub wurde zu «Blue+», Swisscom TV zu «BlueTV» und das Webportal Bluewin zu «BlueNews». Gaming und E-Sport sollen ebenfalls unter dem Dach «blue.ch» integriert werden.
Im Prinzip wird damit demonstriert, was Kinobetreiberin Edna Epelbaum und DCM-Managerin Stephanie Candinas mit verstärkter Zusammenarbeit aller Akteure in der Schweiz meinen: Man bemüht sich darum, gemeinsam die Sichtbarkeit zu erhöhen, den Werbeaufwand zu bündeln und letztlich die Kundschaft möglichst breit an sich zu binden. Genau das, was auch die globalen Konzerne anstreben.