Alain Delon, der schöne, smarte, talentierte und frauenliebende Kinostar. So sieht sich der 83-jährige bis heute. Dies zeigte sich bei seinem Auftritt vor Filmschaffenden und Medienleuten am Morgen der Preisverleihung.
Delon betrat den Raum, winkte in die Menge und brachte sogleich den ersten Herrenwitz: «Da gibt es sicher einige Damen, die haben meine Telefonnummer».
«Die Frauen liebten mich»
Scherzen wie in guten, alten Zeiten. Ungefragt parlierte Alain Delon weiter zum Thema Frauen, wenngleich der Gesprächsleiter lieber seine erste Frage gestellt hätte. Zu den wegweisenden Filmen Delons. «Die Frauen», meinte Alain Delon also weiter, «sie liebten mich und ich liebte sie. Damals sah ich ja ganz ordentlich aus, n’est-ce pas?». Höflicher Applaus.
Ein Mann in seinem achten Lebensjahrzehnt spielt auf der Klaviatur des unwiderstehlichen Charmeurs. Das hat einen fahlen Beigeschmack in Anbetracht der Debatte, die im Vorfeld stattfand.
Petition gegen Delons Auszeichnung
Aktivistinnen lancierten eine Petition gegen die Auszeichnung Delons. Darin heisst es, es dürfe «keinen Platz in einem so wichtigen Ereignis wie dem Filmfestival Cannes für Rassisten, Sexisten und Homophobe» geben.
Die französisch-amerikanische Schauspielerin Carole Raphaelle Davis formulierte es in einem Interview gegenüber der US-Website «Daily Beast» noch schärfer: «Alain ist ein alter, depressiver Ex-Filmstar, der in Fernsehsendungen geht und misogyne sowie homophobe Beleidigungen ausspuckt».
Frau und Kinder geschlagen
Auslöser der Kritik sind Äusserungen von Alain Delon sowie Aussagen seiner Familie. Delons Sohn, Alain-Fabien Delon, machte 2013 öffentlich, dass er und sein Bruder von seinem Vater wiederholt geschlagen worden seien.
Delon sei auch gegenüber seiner Mutter, dem niederländische Ex-Model Rosalie van Breemen, gewalttätig gewesen. Alain Delon gab später zu, Frauen geschlagen zu haben.
Umstritten waren zudem homophobe Bemerkungen Delons. In einem Interview mit der Zeitung «Le Figaro» meinte er, Homosexualität sei «gegen die Natur».
Ins politische Kreuzfeuer gelangte Delon durch seine Freundschaft mit dem Ultra-Nationalisten und Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen. Er selber bezeichnet sich gerne als Patrioten und Gaullisten.
Rückendeckung der Festivalleitung
Journalisten konfrontierten den Cannes-Direktor mit dem Widerstand gegen die Preisvergabe. Thierry Frémaux reagierte sichtbar gereizt: «Wir verleihen ihm ja nicht den Friedensnobelpreis. Wir ehren ihn für sein künstlerisches Werk.» Delon, so Frémaux weiter, habe das Recht, als Privatperson zu tun und zu denken, was er wolle.
Alain Delon äusserte sich in Cannes bisher nicht zur Kontroverse um die Preisverleihung. Zum Abschied der Gesprächsrunde warf er den Damen in der ersten Reihe Kusshändchen zu.