Zum Inhalt springen

Filmfestival Locarno Locarnos Kino-Vergangenheit bekommt eine neue Zukunft

Seit 50 Jahren kleben die Filmfans in Locarno in den weissen Kunstleder-Sesseln des Kinos Ex*Rex. Es ist ein kurioser Saal, mit einigen Unannehmlichkeiten. Die besten Zeiten hat er längst hinter sich. Nun soll er fit gemacht werden für die Zukunft und dabei seinen alten Charme behalten.

Komplett absurd hat sie begonnen, die Geschichte des Kinos Ex*Rex. Als die Kinotechniker nach dem Bau des Kinos 1966 fragten, wo sie den Filmprojektor aufbauen können, stellten sie fest: Die Kabine für den Projektor ging bei den Bauarbeiten vergessen. So kommt es, dass man sich bis heute durch einen schmalen Gang zum Projektionsraum zwängen muss. Den hatte man schliesslich ins Nachbarhaus eingebaut.

Der Ort der Retrospektive

Seit 50 Jahren gibt es das Ex*Rex, das ursprünglich unter dem Namen Rex eröffnet wurde. Das Kino, in einer schmalen Seitengasse am hinteren Ende der Piazza, ist Besuchern des Filmfestivals bestens bekannt. Hier laufen die Filme der Retrospektive, in diesem langen Saal mit den seltsamen, weissen Stühlen.

Dieser Saal soll nun für die Zukunft gerüstet werden. Dafür zuständig ist Patricia Boillat. Sie ist beim Filmfestival Locarno «Head of Image and Sound» und hat unter anderem schon die Piazza Grande ton- und bildtechnisch auf Vordermann gebracht.

Nach dem diesjährigen Festival soll das Ex*Rex umgebaut werden und neu zum «Gran Rex» werden. Der Saal hat die besten Zeiten weit hinter sich – das sieht man beim Eingang ins Kino schon dem löchrigen Teppich an.

Trotzdem hat das Kino bis heute einen eigenwilligen Charme: «Der Saal war bei der Eröffnung der schickste im Tessin. Er hatte die grösste Leinwand im Kanton. Zur damaligen Zeit war das ein High-End-Kino», sagt Boillat. «Die Stimmung soll im neuen Kino wieder ähnlich sein».

Aufpoliert mit der Spraydose

Das Zeitkolorit zu bewahren ist nicht einfach. Das zeigt die Sache mit den Stühlen. Fans der Retrospektive haben ein zwiespältiges Verhältnis zu diesen Sesseln – das Kunstleder lässt einen schwitzen, man klebt förmlich an der Rückenlehne. Das liegt nicht unbedingt am Schweiss, manchmal klebten die Besucher auch an frischer Farbe: «Die Operateure haben vor zehn Jahren die Sessel jeweils weiss angesprüht – darum waren sie immer so schön weiss.»

Die Sessel sind das Markenzeichen des Rex, doch eine Restaurierung ist nicht möglich. Man habe es versucht, sagt Boillat, aber im Gran Rex wird es neue Stühle haben.

Nicht nur bei den weiss gestrichenen Stühlen glänzte im Rex die Oberfläche etwas stärker als das, was dahintersteckt. «Der Saal ist einfach. Aber er hat die Aura von Glamour», sagt Boillat.

Dazu hat man zuweilen auch ein wenig geflunkert: «1966 hat man jeweils von Sitzen mit Lederbezug gesprochen, aber in Wirklichkeit ist es Kunstleder». Und man hat gerne behauptet, das Kino habe Stereophonie – dabei stimmte das gar nicht.

Konzertbühne und eine Bar

Heute ist das Kino nur während dem Festival geöffnet. Beim Gran Rex soll das dann anders sein. Kommerzielle Filmstarts wird es nicht geben, aber es sollen regelmässig Kino-Events mit Bezug zum Festival stattfinden.

Es wird eine Bühne für Konzerte geben und eine Bar. «Der Saal ist weiterhin vor allem ein Kino», betont Boillat. Aber er soll auch anders genutzt werden können.

Wenn alles nach Plan läuft, wird das neue Rex schon im kommenden Jahr den Betrieb aufnehmen. Derzeit ist das Baugesuch beim Kanton Tessin hängig.

Boillat plant, den Umbau im September zu beginnen und nach einer Bauzeit von 6 bis 8 Monaten abzuschliessen. Ab dann soll das Rex nicht mehr nur während dem Festival seine Türen öffnen.

Meistgelesene Artikel