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Bild 1 von 9. Die 22-jährige Jacqueline Bisset in ihrer ersten Sprechrolle: «Cul-de-Sac» (1966) von Roman Polanski. Bildquelle: Compton Films.
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Bild 2 von 9. Jacqueline Bisset mit Steve McQueen (rechts) im Film «Bullitt» (1968). Bildquelle: Warner Bros.
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Bild 3 von 9. Ein Duo mit Sprengkraft: Bisset an der Seite von Jean-Paul Belmondo in «Le magnifique» (1973). Bildquelle: Cine III.
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Bild 4 von 9. Ein T-Shirt, das zum Markenzeichen des Films wurde: Jacqueline Bisset als Taucherin in «The Deep» (1977). Bildquelle: Columbia Pictures.
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Bild 5 von 9. Mit Bisset in der Hauptrolle setzte Regisseur George Cukor einen Schlusspunkt zu seiner langen Karriere: «Rich and Famous» (1981). Bildquelle: mgm.
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Bild 6 von 9. Bisset in «Under the Volcano» (1984) von John Huston. Bildquelle: Universal Pictures/20th Century Fox.
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Bild 7 von 9. Bisset ist immer wieder in Independent-Filmen zu sehen, etwa in «The Sleepy Time Gal» (2001). Bildquelle: Antarctic Pictures.
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Bild 8 von 9. Noch immer ein begehrtes Sujet für Fotografen: Jacqueline Bisset in einer Aufnahme von 2005. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Die 69-jährige Jacqueline Bisset am Monte Carlo Television Festival in Monaco, 2013. Bildquelle: Keystone.
Das heutige Mainstream-Publikum kennt Schauspielerin Jacqueline Bisset hauptsächlich als T-Shirt-tragende Taucherin aus «The Deep» (1977) und als Objekt pubertärer Begierde aus «Class» (1983). Vor diesen kommerziellen Erfolgen allerdings hatte sie sich im europäischen Kino ebenso einen Namen gemacht wie als Partnerin von Steve McQueen in «Bullitt» (1968) und Jean Paul Belmondo in «Le magnifique» (1973).
Inzwischen ist die Schönheit zur Charakterdarstellerin gereift. Neben anspruchslosen TV-Movies oder Serien wie «nip/tuck» und «Rizzoli & Isles» dreht sie immer wieder auch ambitionierte Independent-Produktionen. Besonders augenfällig wurde dies, als sie 2001 am Sundance Film Festival auftrat, um den dritten Film des kalifornischen Cineasten Christopher Münch zu promoten. Im Interview erwies sie sich als kluge und besonnene Künstlerin, die sich nach wie vor weiterentwickeln will und ihre Karriere aus selbstkritischer Distanz beobachtet.
Der Reiz des Independent-Films
In Münchs autobiographisch gefärbtem Drama «The Sleepy Time Gal», das leider nie den Weg in die europäischen Kinos fand (aber immerhin auf DVD greifbar ist), verkörpert Bisset die alternde Frances, die in den 1950er-Jahren als lebensfrohe und freigeistige Radiomoderatorin zu nachtschlafender Stunde Musik auflegte. Gebrochene Herzen pflasterten ihren Weg, nicht nur diejenigen wechselnder Partner, sondern auch die ihrer Kinder, denen sie keine gute Mutter war. Nun ist Frances an Krebs erkrankt und hält Rückschau. Als einziges Kind ist ihr Sohn Morgan (Nick Stahl) bei ihr und muss für seine Fürsorge einiges einstecken. Frances weiss nicht, dass ihre Tochter Rebecca, die sie einst zur Adoption freigegeben hat, dabei ist, nach ihr zu suchen.
Zu Münch kam Bisset aufgrund seines Regiedebüts: «The Hours and Times» (1991) ist eine kurze Studie über ein Wochenende, das der junge John Lennon mit seinem schwulen Manager Brian Epstein in Barcelona verbrachte. Bisset war beeindruckt von der Stimmigkeit, mit welcher der nachgeborene Filmemacher die Stimmung von damals einfing: «Ich war in den Sixties durchaus dabei, in London, sah, was vor sich ging, und kannte viele der Menschen, die die Mode und alles andere veränderten. Ich fand den Film sehr modern, ich mag Schwarzweiss-Filme und mir gefielen die Dialoge und wie er das gedreht hatte. Ich war sofort gefesselt und dachte: Mit dem Mann möchte ich zusammenarbeiten.»
Herausforderungen statt Hollywood
Die Arbeit an «The Sleepy Time Gal» zog sich über drei Jahre hin, während welcher Bisset andere Filme drehte und sich zwischendurch immer wieder in die schwierige Rolle der streitbaren Frances zurückversetzen musste – faktisch für Gottes Lohn, denn Independent-Filmer zahlen keine nennenswerten Gagen.
Aber Hollywood, Glamour und Geld bedeuten Bisset nicht mehr viel: «Ich glaube nicht, dass ich in letzter Zeit zu wenige Gelegenheiten gehabt hätte, grosse Filme zu drehen», sagte sie im Interview 2001. «Bei manchen Dingen, für die man mich anfragte, hatte ich das Gefühl, das hätte ich schon mal gemacht oder dass ich dazu nichts beitragen könnte; es waren auch austauschbare Rollen dabei. Ich versuche lieber Neues, ich mag Herausforderungen. Es geht mir wohl wie vielen Schauspielern: Wenn mir etwas Angst macht, schau ich‘s mir vermutlich ein zweites Mal an. Denn so wächst man weiter. Ich habe die Tode meiner beiden Eltern überwunden, was mir im Leben viele Jahre lang grosse Angst gemacht hatte, und ich funktioniere absolut noch. Ich hätte nie gedacht, dass ich nach dem Tod meiner Mutter noch funktionieren würde, ich dachte, ich wäre kaputt; mein Vater ist vor 19 Jahren gestorben – aber ich bin nicht kaputt. Sie haben mir meine Erziehung geschenkt und ein gewisses Mass an Mumm, eine gewisse Willenskraft – nun ist es Zeit, das auch zu gebrauchen. Es ist Zeit, furchtlos zu sein, drauflos zu gehen.» Darin ähnelt Bisset ihren britischen Zeitgenossinnen Julie Christie und Charlotte Rampling, die ebenfalls im Independent-Film eine neue Heimat gefunden haben.
Polanski, Truffaut und die Folgen
Ihre allererste Sprechrolle hatte die 22-jährige Bisset in Polanskis absurdem Gangsterfilm «Cul-de-Sac» («Wenn Katelbach kommt», 1966). Noch vor ihrem ersten Satz überhaupt – sie bemerkt, dass der tumbe Ganove Richard eine Krawatte von Christian Dior trägt – sollte sie läppisches Gekicher von sich geben und versagte völlig. Eine erfahrenere Kollegin, Catherine Deneuves Schwester Françoise Dorléac, versuchte ihr aus der Patsche zu helfen, was sich am Ende als verlorene Liebesmüh erwies.
Wenig Erfüllung fand Bisset in einer ihrer ersten und berühmtesten Rollen, als Julie in François Truffauts «La nuit américaine» (1973): «Der Part war ganz nett, aber François sagte immerzu: Ich wünschte, ich hätte dir eine bessere Rolle gegeben. Er wusste, dass ich lieber etwas gemacht hätte mit einer Dreiecks- oder Paarbeziehung, etwas, das dieser Figur mehr Tiefe verliehen hätte. Aber es war doch eine grossartige Zeit für mich und der Film hat mir viel gebracht.»
Künstlerisch gibt sie mehr auf andere Rollen wie die schwierige Frances in «The Sleepy Time Gal», ihre «Anna Karenina» (1985) an der Seite von Christopher Reeve, die Juden rettende Aristokratin Nina von Halder in «Forbidden» (1984) von Anthony Page und die Konsulsgattin in «Under the Volcano» (1984). Letzteres war ihre zweite Zusammenarbeit mit John Huston, von dem sie viel gelernt haben will.
Lektionen bei Altmeistern: Huston und Cukor
Als gereifte Schauspielerin ist Bisset viel eher bereit, sich der Vision des Regisseurs auszuliefern. Früher machte sie sich auch öfter Sorgen, ob die Kamera am richtigen Ort stehe. Aber Huston und Cukor hätten sie gelehrt, dass Grossaufnahmen nicht immer die ausdrucksstärkste Lösung seien.
Sonst habe sie mit Cukor nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Bei «Rich and Famous» (1981), der im Rahmen der Retrospektive in Locarno aufgeführt wird, war Bisset nicht nur als Hauptdarstellerin, sondern auch als Koproduzentin involviert, was für jene Zeit unüblich war. Dem greisen Cukor war dieses doppelte und leidenschaftliche Engagement nicht genehm.