Sie spielen in «Listen Up Philip» einen selbstverliebten, älteren Autor namens Ike. Was fasziniert sie an so einer Rolle?
Jonathan Pryce: Es hat schon immer Spass gemacht, den Bösen zu spielen. Manchmal vielleicht auch, weil man sich verhalten kann, wie man es sonst nie würde. Ike ist zwar kein klassischer Bösewicht, aber einfach unsympathisch. Ich liebe meine Tochter und habe eine gute Beziehung zu ihr, aber es war lustig, im Film mal ein richtig schrecklicher Vater zu sein.
Denken Sie, kommt ihre Begeisterung für die Rolle auch beim Publikum an? Die beiden Hauptrollen Ike und Philip sind wirklich unerträgliche Menschen.
Dieser Film könnte wirklich missverstanden werden. Er ist aber nicht so düster und ernst, wie es scheint. Ich denke, es ist eine Komödie. Eine Komödie des schlechten Benehmens. Wenn man sieht, wie Philip einfach die Sensibilitäten seiner Mitmenschen ignoriert, ist das einfach nur amüsant. Das hat wirklich Spass gemacht.
Wenn die jüngeren Leute heute Jonathan Pryce hören, denken sie wohl meist an ihre Rolle in «Pirates of the Caribbean» als Governor Swann. Erleben Sie das auch so?
Natürlich haben Millionen von Leuten «Pirates of the Caribbean» gesehen, das ist nichts Schlimmes. Ich bin eher überrascht, dass mich die Leute erkennen. Schliesslich habe ich ja eine riesige Perücke an. Aber ich finde es immer wieder überraschend, für welche Rollen man erkannt wird. Wenn ich merke, dass ich auf der Strasse erkannt werde, versuche ich immer herauszufinden, für welche Rolle.
Zum Beispiel: Das ist wohl ein «Pirates»-Fan, oder sie kennt mich wohl aus «James Bond». Und dann plötzlich sagen sie: Ich mochte sie in «Carrington». Dann bin ich immer erstaunt und freue mich. Ein anderer Film, auf den ich immer noch angesprochen werde ist «Brazil». Das ist jetzt fast 30 Jahre her. Aber der Film findet immer wieder ein neues Publikum. Ein sagenhafter, zeitloser Film. Ich bin wirklich stolz, dass ich Teil davon sein konnte.
Wenn man ihre Biographie so anschaut, haben Sie sehr viele unterschiedliche Dinge gemacht.
Ich mag es, mich selbst zu überraschen. Ich mag es auch nicht, immer das Gleiche zu tun. Viele Leute sind viel erfolgreicher als ich – weil sie immer dieselbe Rolle spielen. Aber wenn sie dann mal was anderes machen, interessiert es das Publikum nicht. Ich komme vom Theater – das mache ich immer noch. Zu Beginn in Liverpool habe ich alle vier bis fünf Wochen in einem neuen Stück gespielt. Und ich konnte mir meine Rollen nicht aussuchen. Ich startete mit einer kleinen Rolle bei Shakespeare und Ende der Saison war ich Richard III. So verlor ich mit der Zeit die Angst davor, Neues zu wagen. Und als ich in meinen 40ern war, riet mir jemand, Musicals zu machen. So kam ich zu «Miss Saigon» – und machte das zwei Jahre lang. Vielseitig zu sein, heisst, keine Angst zu haben.
Und die haben sie offenbar nicht. Denn sie haben vor kurzem bei der extrem populären Serie «Game of Thrones» unterschrieben. Wissen Sie, auf was sie sich da eingelassen haben?
Ich habe wirklich keine Angst davor. Ich kannte die Serie nicht. Ehrlich gesagt, hätte ich mir sie wohl auch nicht angeschaut. Aber man hat mich angefragt und mir eine Zusammenfassung meines Charakters geschickt und wie seine Rolle in dieser bereits gut etablierten Welt ist. Also wie er in die Geschichte kommt und wie er die Welt verändern will. Sein Name ist «High Sparrow». Natürlich wissen die Kenner der Bücher, wer das genau ist und was geschieht.
Aber für mich ist das alles noch sehr geheimnisvoll. Die Produzenten haben mir eine DVD-Box geschickt und ich habe ein paar Folgen geschaut. Ich war sehr überrascht, wie gut alles aussieht. Die Kampfszenen sind von einer Qualität, wie man sie sonst nur von Filmen her kennt. Es ist sehr schön gefilmt, gut gespielt. Ich freue mich wirklich darauf. Ich denke nicht, dass es mein Leben verändern wird – es ist schliesslich Unterhaltung, nichts Hochpolitisches. Aber es wird bestimmt lustig.
In Zukunft wird man Sie vielleicht nur noch auf «Game of Thrones» ansprechen...
Schon jetzt! Und das ist mir bis jetzt noch nie passiert. Als verkündet wurde, dass ich in der Serie mitspiele, bekam ich noch am gleichen Tag Emails von allen möglichen Leuten. Freunde, von denen ich nie dachte, dass sie «Game of Thrones»-Fans sind. Die Serie ist vielen Leuten sehr wichtig. Als ich kürzlich in London einkaufen war, gratulierte mir sogar der Verkäufer zu der neuen Rolle. Ich sagte zu ihm: Augenblick mal, ich habe noch anderes gemacht. Aber ich freue mich wirklich darauf – Mitte September geht’s los mit den Dreharbeiten.