Zeitblende: Im Sommer 2015 befinden sich eine Million Menschen in Europa auf der Flucht. 40'000 von ihnen haben es bis in die Schweiz geschafft. Der Kanton Aargau teilt zehn Personen der reichen Gemeinde Oberwil-Lieli zu.
Gemeindeammann und SVP-Nationalratskandidat Andreas Glarner weigert sich, diese aufzunehmen und will ein Exempel statuieren. Er ist bereit, 290'000 Franken Strafgebühren zu zahlen. Ein Haus, das für schutzsuchende Asylsuchende geeignet gewesen wäre, lässt er kurzfristig abreissen.
Ganz Europa berichtet
Das ARD-Morgenmagazin realisiert einen Fernsehbeitrag über Andreas Glarner. Dieser wird in kürzester Zeit im Netz verbreitet. Oberwil-Lieli ist in aller Munde. Sogar Fernsehstationen aus Russland und England berichten über den 2300-Seelen-Ort.
Schnell regt sich Widerstand, personifiziert durch die Studentin Johanna Gündel. Und sie schafft das vermeintlich Unmögliche: Der Budgetentwurf für die Strafzahlung wird von der Gemeindeversammlung abgelehnt. Womit die Geschichte für die Medien ein beinahe märchenhaftes Happy End findet.
«Das kann nicht sein!»
Die Regisseurin Sabine Gisiger sah damals den ARD-Beitrag über Glarner am Fernsehen. Ihre erste Reaktion: «Ich war schockiert. Ich sass auf dem Canapé und habe Frühstücksfernsehen geschaut. Dann sehe ich den Glarner. Er sagt: ‹Wir nehmen keine Flüchtlinge, das sind Sozialhilfeempfänger.› Ich dachte nur, das kann nicht sein!»
Gisiger besucht kurzentschlossen den Gemeindeammann. Er habe fast nur positive Feedbacks auf den Beitrag bekommen, sagt er. Und dass er einfach ein Zeichen setzen wollte, nicht Hinz und Kunz ins Land zu lassen.
Vielleicht habe ihm der Beitrag geholfen, dass er kurz darauf mit gutem Resultat in den Nationalrat gewählt worden sei, so Glarner.
Vom Politikum zum Film
Sabine Gisiger beschliesst, einen Dokumentarfilm über das Geschehen zu drehen. Andreas Glarner sagt sofort zu. Auch die Studentin Johanna Gündel ist dabei, sowie die grüne Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli, die für die Zuteilung der Flüchtlinge an die Gemeinden zuständig ist.
Der Film stellt sich den Fragen: Welche Mythen und Feindbilder prägen unser Selbstbild? Wie realistisch sind die Hoffnungen derer, die auf Freiwilligenarbeit und Integration setzen?
Gelächter im Publikum
Der Film ist wie ein antikes Drama aufgebaut. Die Handlung wird immer wieder von Chören unterbrochen, die dem Publikum Raum für die eigenen Gefühle lassen. Es werden auch immer wieder historische Schlaglichter gesetzt, die den Zuschauern das Fundament der humanitären Tradition der Schweiz in Erinnerung rufen. Und die damals schon bestehende Polemik um das Thema Flüchtlinge.
Bei der Weltpremiere in Locarno ernten einige der rechtskonservativen Aussagen Gelächter im Kinosaal. Der Film beschönigt nicht, will aber der Hetze, dem Versprechen auf einfache Lösungen etwas entgegensetzen.
Und fordert uns auf, darüber nachzudenken, wer wir Schweizer sind und was wir sein könnten. In Locarno hat das die meisten Zuschauer überzeugt.