Er zuckt unnatürlich. Zumindest für einen Menschen. Die hektischen Kopfbewegungen erinnern eher an ein Insekt. Dann fällt ihm ein Ohr ab, das Gesicht verfault und schliesslich der ganze Körper.
Dieser Mann ist Wissenschaftler. Sein Name: Seth Brundle. Im Horror-Klassiker «The Fly» mutiert er langsam zur Fliege. Mit diesem Kino-Meilenstein schaffte David Cronenberg den internationalen Durchbruch. Fortan galt er als Meister des «Body Horror». Eine Kategorisierung, die der kanadische Filmemacher nie mochte und auch heute noch strikt ablehnt.
Prominenter Jurypräsident am NIFFF
Das Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF) wird dieses Jahr volljährig. Fantastisch sind nicht nur die Filme der 18. Ausgabe, fantastisch sind auch die Gäste. An vorderster Front: Jurypräsident David Cronenberg.
Für den Präsidentenposten könnte es keinen Besseren geben. Schliesslich hat der kanadische Filmemacher die Geschichte des fantastischen Films zwischen 1975 und 1996 massgebend geprägt.
Zum Beispiel mit seinem ersten Kinofilm «Shivers» (1975): Parasiten befallen die Bewohner eines Hochhauskomplexes und lösen einen unbändigen Sexualtrieb aus. Oder «Naked Lunch» (1991): In diesem Science-Fiction-Drama bringt ein Kammerjäger seine Frau im Drogenrausch um. Danach flüchtet er in die Scheinwelt «Interzone».
Horror mit gesellschaftskritischem Hintergrund
Im Genre des fantastischen Films geht es darum, die Grenzen zum sogenannt «normalen» Leben zu überschreiten. David Cronenberg hat diese während seiner bereits über 50 Jahre dauernden Karriere immer wieder aufs Neue ausgelotet. Mit teilweise sehr blutigen und brutalen Inszenierungen. Sein rasch zum Markenzeichen mutiertes Motto lautete «more blood»: mehr Blut.
Nichtsdestotrotz wäre es falsch, den intellektuellen Filmemacher als effekthascherischen Splatter-Regisseur zu schubladisieren. Egal wie radikal, gewaltsam und skandalös Cronenbergs Filme auch sein mögen: Im Kern geht es ihm immer um eine kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft.
Cronenberg steckt sozialkritische Themen in ein Horrorkostüm. Damit schafft er es, sogenannt schwere Kost an ein breites Publikum zu bringen. Ab und zu – wie im schockierend tiefgründigen Thriller «eXistenZ» – liegen sogar philosophische Höhenflüge drin.
Der Existentialist des Kinos ist noch eine Woche in Neuenburg und wird am 14. Juli den Hauptpreis «Narcisse» für den besten fantastischen Film überreichen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Nachrichten, 18.4.18, 16.30 Uhr