Erstaunlich aktuell ist der Film um das französische Flüchtlingsmädchen Marie-Louise, das während des Zweiten Weltkriegs in einer Schweizer Fabrikantenfamilie unterkommt. Der Film «Marie-Louise» gehört zum Filmerbe der Schweiz, das in der Cinémathèque Suisse im Archiv gehütet wird.
Aber wie viele dieser alten Filme ist auch dieses Werk nicht vor dem Altern gefeit: Die hochbrennbaren Nitratfilme sind nicht ewig haltbar und müssen restauriert werden, wenn sie erhalten werden sollen.
Aufwändig restauriert
Die Fassung, die am Zurich Film Festival zu sehen ist, ist digital. Heinz Schweizer, Redaktionsleiter Film und Serien bei SRF, hat die Herstellung der digitalen Fassung betreut. Er erzählt, wie aufwändig diese Restaurierung war: «Zuerst musste das Filmmaterial gerettet werden, hochentzündliche Nitratfilme. Damit hat man zu einer Zeit begonnen, als die Digitalisierung noch nicht so Thema war.»
Mittlerweile haben alle Kinos auf digitale Projektionen umgestellt. Und wolle man diese Filmklassiker wieder aufführen, müsse es auch davon digitale Fassungen geben, so Schweizer. Sein Team hat sich daher an eine zweite Restaurierung des Filmmaterials gemacht. Eine Feinarbeit, die sich über mehrere Monate hingezogen hat.
Handarbeit und Software
Drei verschiedene Kopien wurden benützt, weil die Cinémathèque-Fassung trotz Restaurierung defektes Filmmaterial hatte, das nicht ersetzt werden konnte, erzählt Heinz Schweizer. Bild für Bild wurde der Film so zusammengesetzt, wie es der Originalfassung entsprach.
Dann wurde ein sogenanntes Color-Grading gemacht. Heinz Schweizer erklärt, was das ist: «Man versucht den Look eines Films in Bezug auf Licht, Schatten, Dunkelheit und Helligkeit wiederherzustellen, wie er damals in den 40er-Jahren wahrscheinlich ausgesehen hat. Dazu nimmt man zeitgenössische Kopien, sofern diese vorhanden sind, weil die damals aus den Labors so herauskamen, wie der Regisseur sich das gewünscht hat.»
Und schliesslich wurde in Handarbeit und mit entsprechender Software während Monaten jedes Filmbild geputzt, Kratzer, Fehlerchen, Klebestellen unsichtbar gemacht. «Jetzt sieht er mindestens so gut aus, wie er zu seiner Premiere ausgesehen hat», sagt Schweizer.
Ein Gratisbillet für alle Hausfrauen
Der Film über die Flüchtlingskinder, die von Schweizer Familien aufgenommen wurden, war damals einer der erfolgreichsten Schweizer Filme überhaupt. Der Drehbuchautor Richard Schweizer hatte damals selber so ein Flüchtlingskind bei sich aufgenommen und diese Erfahrung in seinem Drehbuch verarbeitet. Bei der Produktionsfirma Präsens fanden weder Drehbuch noch der fertige Film grossen Anklang, erzählt Heinz Schweizer, der übrigens nicht verwandt ist mit dem Drehbuchautor.
Nur Gottlieb Duttweiler, damals frisch im Verwaltungsrat von Präsensfilm, war von «Marie-Louise» so begeistert, dass er allen Hausfrauen ein Gratisbillet fürs Kino schenkte, wenn sie nicht zu den Haupteinkaufszeiten in der Migros ihre Kommissionen machten. Dank dieser Aktion wurde der Film binnen dreier Wochen zum Kassenschlager. Er fand den Weg ins Ausland, schliesslich in die USA und gewann als erster nicht-englischsprachiger Film überhaupt einen Oscar. Ausgezeichnet wurde das Drehbuch von Richard Schweizer.
Ein Film mit grosser Aktualität
Natürlich wirkt «Marie-Louise» jetzt, 70 Jahre später, etwas altmödelig, heimelig. Aber nur auf den ersten Blick. Der Film mit Heinrich Gretler und Anne-Marie Blanc hat mitten in allen Berichten über die Flüchtlingskrise eine unfreiwillige grosse Aktualität erhalten.