Christopher Nolans Filme mussten immer schon mit einer gewissen Erwartungshaltung zurechtkommen. Welcher Regisseur schafft es denn sonst, aberhunderte Millionen am Boxoffice umzusetzen, ohne dabei den Respekt des Feuilletons zu verlieren?
«Tenet», sein neuer Sci-Fi-Agenten-Film, soll nun also das pandemiegeplagte Kino retten. Zumindest war dies in der Fachpresse in den vergangenen Monaten wiederholt zu lesen.
Im Film selbst steht noch mehr auf dem Spiel: Ein namenloser Protagonist (John David Washington) wird von einem Geheimdienst rekrutiert, der einen russischen Waffenhändler (Kenneth Branagh) stoppen soll, welcher über «Inversions-Technologie» verfügt.
Will heissen: Er kann Objekte und Personen vermeintlich rückwärts durch die Zeit schicken. Das ist natürlich ein Problem, denn nun droht der Dritte Weltkrieg.
Nicht alles muss man verstehen
Vermeintlich bedeutungsschwangere Konzepte sind bekanntlich nichts Neues für Nolan. Wer sich also von der ganzen Zeitreise-aber-eben-nicht-wirklich-Prämisse von «Tenet» skeptisch stimmen lässt, sollte sich an vergangene Blockbuster wie «Inception» oder «Interstellar» zurückerinnern.
Diese Filme musste man schliesslich auch nicht zu einhundert Prozent verstehen, um das Spektakel auf der Leinwand geniessen zu können. In «Tenet» rät eine andere Figur dem Protagonisten im expositionslastigen Anfang des Films sogar explizit, er solle nicht versuchen, alles zu verstehen.
Einen deutlicheren Wink mit dem Zaunpfahl könnte Nolan seinem Publikum wohl kaum geben.
Spätestens seit «The Dark Knight», der zweite Teil seiner Batman-Trilogie, Warner über eine Milliarde US-Dollar eingespielt hat, darf Christopher Nolan ohnehin mehr oder weniger machen, wozu er gerade Lust hat.
Tolle Bilder und ambitionierte Prämissen
Ob dabei nun ein Unterbewusstseins-Heist-Abenteuer («Inception»), ein Sci-Fi-Epos («Interstellar») oder ein Kriegsfilm («Dunkirk») herauskommt, ist letztendlich zweitrangig.
Wer sich Nolans Filme anschaut, erwartet keine tiefgründigen Charakterstudien oder emotionale Offenbarung – tolle Bilder, spektakulär inszenierte Action und ambitionierte Prämissen sind garantiert. Die kriegt man auch in «Tenet» zu sehen.
Die Erwartungshaltung, dass ein Film im Alleingang die Kino-Krise in die Geschichtsbücher verbannen könnte, war ohnehin nie realistisch. Selbst dann nicht, wenn dieser von Christopher Nolan stammt.
«Tenet» könnte allerdings einige Kino-Romantikerinnen und -Romantiker aus ihrem Dornröschenschlaf wecken.
Das hofft zumindest Hauptdarsteller John David Washington: «Es ist sehr aufregend, Teil eines Films zu sein, der die Leute daran erinnern kann, weshalb das Kino so wichtig ist. Wenn sie mit ihren Snacks und ihrem Popcorn in den Sälen sitzen und sich den Film ansehen, werden sie wertschätzen können, was die Kinoerfahrung ausmacht.»
In diesem Sinne: Ab ins Kino.