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Filmstart «Aquarius»: Sonia Braga in Höchstform

Kleber Mendonça Filho erzählt in «Aquarius» die partikulare Geschichte einer starken Frau und die universelle Geschichte der Gentrifizierung.

Das Beste an dieser brasilianisch-französischen Koproduktion ist ohne jeden Zweifel das Wiedersehen mit der grossen Sonia Braga (Kiss of the Spider Woman, 1985). Sie spielt umwerfend und hinreissend die Mittsechzigerin Clara, die den Kampf gegen ein Baukonsortium aufnimmt.

Den grössten Teil ihres Lebens hat die Musikkritikerin im gleichen Appartementbau an der schicken Küstenstrasse von Recife in Brasilien verbracht. Eine ausgedehnte Rückblende zeigt sie mit ihrem Mann und ihrer Familie 1980 bei einer Feier in der Wohnung.

Video
Trailer zu «Aquarius», 2016
Aus Kultur Extras vom 10.01.2017.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 27 Sekunden.

Blick zurück

In dieser einzigen ausgedehnten Sequenz lernen wir die wichtigsten Menschen in ihrem Leben kennen. Und ihre Tante Lucia (Thaia Perez), deren Geburtstag gefeiert wird. Die Feier nutzt der Film, um in die Rückblende vignettenartige Rück-Rückblenden einzubauen, zum Beispiel Tante Lucia in jungen Jahren beim wilden Sex mit ihrem Mann auf der Kommode, die auch 1980 noch in dem Raum steht.

Aber diese Sequenz dient vor allem dazu, zu erklären, warum Donna Clara so sehr an dem Appartement hängt, dass sie sich auch noch weigert, zu verkaufen, als das ganze restliche Gebäude bereits leer steht.

Nicht nur der smarte junge Manager der Immobilienfirma bedrängt sie, auch etliche der ehemaligen Besitzer oder deren Kinder sind sauer, weil der lukrative Neubau wegen ihr schon sechs Jahre auf sich warten lässt.

Filmszene Aquarius
Legende: Claras Wohnung ist mehr als nur ein Dach über dem Kopf. Sie ist Erinnerung und Leben zugleich. Filmcoopi

Film im Film

Was folgt, ist einerseits ein Zermürbungskampf. Die Firma überlässt das Appartement über dem von Clara zuerst einer ziemlich widerlichen Sexparty-Truppe, später nimmt eine Sekte das leere Gebäude für einige Zeit in Beschlag und schliesslich greift die Firma zu ganz drastischen Massnahmen.

Das alles kommt einem einigermassen bekannt vor. Aber Sonia Braga spielt ihre Clara mit einer dermassen grossen Mischung aus Würde, Wut und Bravura, dass ein anderer Film im Film zu laufen beginnt.

Die Plattensammlung, die Fotoalben, die Kinder und die Enkelkinder, das alles verdichtet sich zu einem Lebensbild und Claras Festhalten an der Wohnung (obwohl sie noch vier andere besitzt in der Stadt) ist auch ein Festhalten an einem Leben.

Sonia Braga in Höchstform

Ohne Sonia Braga würden sich die 145 Minuten allerdings arg in die Länge ziehen. Und auch so gibt es Momente, in denen man sich etwas mehr Arbeit am Drehbuch gewünscht hätte, vor allem beim heroisch-pointenhaften Schluss, der mehr behauptet als herbeigeführt wird.

Aber als Showcase für eine Schauspielerin, die nach ihrem ersten grossen Welterfolg vom internationalen Kino leider allzu oft in undankbaren Kleinrollen eingesetzt wurde, ist Aquarius ein sehr willkommener Film.

Kinostart: 12. Januar 2017

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