Französische Komödien sind eher rar in unseren Kinos. Wenn es nicht gerade die «Ch’tis» betrifft oder «ziemlich beste Freunde», dann dominiert in der deutschen Schweiz doch eher das ernsthafte «Cinéma des auteurs» aus Frankreich.
Aber da gibt es mit Pierre Salvadori einen Regisseur, der die Autorenkomödie pflegt. Mit seinem aktuellen Film «En liberté» ist ihm das ziemlich gut gelungen.
«Ist das wirklich alles so passiert?»
Ein Mann in schwarzer Lederjacke stürmt in eine Wohnung, erschiesst einen Gegner, bricht einem anderen die Nase, springt aus dem Fenster des ersten Stockes in sein offenes Cabriolet und rast davon.
Das ist Chefpolizist Santi in der Gute-Nacht-Erzählung seiner Frau Yvonne für den gemeinsamen kleinen Sohn. Denn seit Santi im Kampf gegen das Verbrechen umgekommen ist, erzählt Yvonne dem Kleinen jeden Abend von den Heldentaten des Vaters.
«Ist das wirklich alles so passiert?» fragt der Junge staunend. «Ich kann mich nicht mehr an die Automarke erinnern», sagt Yvonne, «aber der Rest stimmt haargenau!» «Papa war stark», meint der Kleine, mit grossen Augen.
Held oder Schweinehund?
Yvonne, gespielt von der grossartigen Adèle Haenel, ist ebenfalls Polizistin, die stolze Witwe ihres allseits als Helden verehrten Santi.
Bis sie herausfindet, wo der relative Wohlstand der Familie herkommt. Santi hat sich nicht nur schmieren lassen, er hat sogar mit Gangstern zusammengearbeitet. Das hat ihn das Leben gekostet.
«Acht Jahre habe ich mit einem Schweinehund zusammengelebt», meint Yvonne verzweifelt zu ihrem Kollegen. «Und das schlimmste: Er hat einen Unschuldigen an seiner Stelle ins Gefängnis gebracht!»
Lügen mit den besten Absichten
Fortan bemüht sich Yvonne darum, heimlich diesem unschuldig Verurteilten wieder auf die Beine zu helfen, und gleichzeitig ihrem Sohn weiterhin die Geschichten vom Heldentum seines Vaters zu erzählen.
Die Widersprüche, die daraus resultieren, führen zu einer immer schwärzer werdenden Kriminalkomödie.
Sein Film sei eine Komödie der Lügen, sagt Regisseur Pierre Salvadori. Wie oft im Leben schaffe gerade das wackelige Lügengebäude die Komik. Denn es mache die Geschichte lebendig, weil eine Lüge zur nächsten führe, mit den besten Absichten.
Ein Thriller à la Screwball-Comedy
Pierre Salvadori sieht sich mit «En liberté» in der Tradition der amerikanischen Screwball-Comedies der 1930er Jahre. Die amerikanische Komödie habe ihre Geschichte, mit Komödienautoren wie Ernst Lubitsch, oder Billy Wilder, sagt Salvadori. In Frankreich gebe es im Kino eben keine Autoren-Komödien-Tradition.
In Frankreich hätten vor allem die Filmproduzenten kommerzielle Komödien forciert, etwa mit Louis de Funès, der manchmal grossartig gewesen sei, und manchmal grauenhaft.
«En liberté» von Pierre Salvadori ist nun tatsächlich ein Hybrid aus absurder Komödie und Krimi. Und das macht nicht nur darum Spass, weil hier Heldengeschichte und Polizeikorruptionsthriller fusionieren, sondern auch und vor allem, weil Schauspielerin Adèle Haenel hier zum ersten Mal ihr enormes Talent für Komik demonstrieren darf.
Kinostart: 30.5.2019