Was läuft da mit Tom Cruise und den Golden Globes? US-Schauspieler Tom Cruise will die drei Trophäen zurückgeben, die er einst für «Jerry Maguire», «Born on the Fourth of July» und «Magnolia» gewonnen hat, wie US-Medien am Montag übereinstimmend berichteten. Aber auch andere Top-Stars aus Hollywood machen Front gegen die Golden Globes – Scarlett Johansson etwa.
Warum sind die so sauer? Ihr Protest (und der mancher US-Medien) richtet sich gegen die Hollywood Foreign Press Agency (HFPA), die den Filmpreis seit 1944 vergibt. Die Kritik ist gar nicht so neu, die HFPA ist schon länger unter Beschuss. Richtig laut wurde es Ende Februar, als die «Los Angeles Times» der HFPA im Vorfeld der Vergabe der letzten Globes «Intransparenz, Käuflichkeit und zu wenig Diversität» vorhielt.
Fakt ist: Zu den 87 Filmjournalistinnen und -journalisten der HFPA gehören keine Schwarzen. Die Agency gilt als zu überaltert, zu wenig divers. Schlagzeilen machte auch der Abgang des früheren HFPA-Präsidenten Phillip Berk: Er wurde ausgeschlossen, weil er einen Artikel mit anderen Mitgliedern geteilt hatte, der die Black Lives Matter als «rassistische Hassgruppe» bezeichnete.
Auch journalistisch ist die HFPA nicht über alle Zweifel erhaben: Schauspielerin Scarlett Johansson monierte, man habe ihr früher immer wieder sexistische Fragen gestellt. Das sei auch der Grund, warum sie sich seit Jahren weigere, an Pressekonferenzen der HFPA teilzunehmen.
Wie reagiert die HFPA auf die Vorwürfe? Man hat am Donnerstag Reformen verabschiedet. Der Verband will noch 2021 mindestens 20 neue Mitglieder aufnehmen – vor allem Afroamerikaner. Zudem will man in den nächsten 18 Monaten die Zahl der Mitglieder verdoppeln. Es sollen strengere Regeln für die Teilnahme von HFPA-Mitgliedern an Filmevents gelten, die Annahme von Werbegeschenken sind inskünftig untersagt.
Reichen diese Reformen? Für viele Stars gehen sie zu wenig weit und sind zu wenig verbindlich. Es geht es ihnen auch zu langsam vorwärts. Im Moment sieht es danach aus, als griffen die Änderungen erst im Herbst dieses Jahres und wären deshalb bei den Globes-Nominierungen 2022 noch nicht sichtbar.
Zu wenig weit gehen die Reformen auch NBC: Der TV-Sender kündigte am Montag an, die Vergabe der Golden Globes nächstes Jahr nicht mehr auszustrahlen. Die TV-Quoten der jüngsten Show Ende Februar waren – auch pandemiebedingt – unterirdisch: Nur noch 6.9 Millionen der Amerikanerinnen und Amerikaner wollten sich die Sause ansehen, die sich schon früher viele nur wegen der gehässigen Witze von Host Ricky Gervais antaten.
Nicht ohne Wirkung bleiben dürfte auch die Ansage von Netflix und Amazon: Beide Streaming-Giganten wollen die Zusammenarbeit mit der HFPA bis auf Weiteres aussetzen.
Hollywood würde einen seiner wichtigsten Filmpreise verlieren.
War’s das für die Golden Globes? Ein harter Schlag sei das auf jeden Fall, sagt SRF-Filmredaktor Enno Reins. Die TV-Übertragung der Globes bei NBC war die Haupteinnahmequelle der HFPA. Allerdings wurde 2018 ein neuer Vertrag unterzeichnet, der bis 2026 läuft und in dem NBC sich verpflichtet, für die Ausstrahlung 60 Millionen Dollar jährlich zu zahlen. «Ob NBC da rauskommt», so Reins, «werden die Anwälte klären müssen.»
Was würde fehlen, wenn die Globes Geschichte wären? «Hollywood würde einen seiner wichtigsten Filmpreise verlieren», sagt Filmredaktor Enno Reins. Vor allem gerade den, der für viele als Wegweiser für die spätere Oscar-Verleihung gelte. «Mit den Golden Globes ginge ein Stück Tradition verloren.» Doch wenn Traditionen nicht mehr zeitgemäss sind, könne man auch ohne grossen Verlust mit ihnen brechen.