Fredi Inniger ist unterwegs im Namen Christi, des Erlösers. Das ist keine geheime Mission: Alle dürfen es wissen. Schliesslich ist es Innigers unerschütterlicher Glaube, der ihn bei seiner anstrengenden Arbeit für die Heilsarmee antreibt: Spenden sammeln, konkrete Sozialarbeit leisten und – das ist kein Nebeneffekt – christliches Gedankengut verbreiten.
Wer nun vom Dokumentarfilm «Himmel über Zürich» einen kritischen Blick hinter die Kulissen der Freikirche erwartet, dürfte enttäuscht werden. Der Zürcher Filmemacher Thomas Thümena interessiert sich nicht sonderlich dafür, was gut oder schlecht ist an der Institution. Aber er will dort hinschauen, wo die Heilsarmee wirkt – und erfahren, wie diese Hilfe dort ankommt.
Ohne Vorurteile
Thümena selbst sagt im Gespräch, er glaube weder an Gott noch an die Erlösung. Aber letztlich hat das keinen grossen Einfluss auf seinen Film, in dem er sowieso keiner vorgegebenen Argumentation folgt, sondern seine Schlüsse aus Beobachtungen, Begegnungen und Erfahrungen zieht.
Am Anfang des Projekts, so Thümena, stand eine einfache Frage: Warum gebe ich bettelnden Personen meistens nichts? Und warum ist mir immer leicht unwohl dabei? Diese Frage habe ihn veranlasst, sich einer Person anzuschliessen, die beide Seiten der Frage abdeckt: Fredi Inniger sammelt Geld auf der Strasse, und er gibt es an Bedürftige weiter.
Armut vor der Kamera
Menschen, die auf Almosen angewiesen sind, lassen sich verständlicherweise nicht gerne filmen, aber mit viel Vertrauensarbeit sind Thümena ein paar aufschlussreiche Porträts gelungen. Weit einfacher dürfte es gewesen sein, den Heilsarmee-Offizier zu finden, der mitmacht: Inniger ist nicht kamerascheu. Geradezu dankbar zeigt er, was er tut, und er spricht ausführlich darüber, was Gott und Jesus für ihn bedeuten.
Das könnte schnell langweilig werden, aber Thümena findet früh zum Kontrapunkt: Er erzählt von Bedürftigen, die zwar angewiesen sind auf die Hilfe der Heilsarmee, die aber deren Gedankengut nicht teilen – ganz im Gegenteil. Die Nonnen damals in Trimbach seien richtige Hexen gewesen, erzählt einer der Protagonisten aus seiner Kindheit, und die Oberin eine Diktatorin.
Schwere Kost, leicht erzählt
Tomas Thümena erzählt von harten Schicksalen und von Randexistenzen. Er driftet dabei aber nie ins Schwere oder Deprimierende ab – weil er es versteht, in den gefilmten Situationen eine diskrete Komik auszumachen. Dazu gehört der Humor der Menschen selbst: Fredi Inniger mit seinem gewinnenden Lächeln auf der einen Seite, Randständige mit ihrem Galgenhumor auf der anderen.
«Chumm, schpil mer no öppis, dänn gib der en Batze!», sagt Fredi Inniger einmal zu einem bettelnden Querflötisten bei der Hardbrücke – als würde er ein Tier mit einem Zückerchen dressieren wollen. Das ist aber nicht deshalb lustig, weil sich Offizier Inniger im Ton vergreift. Sondern weil er das ehrlich meint: Er selbst musiziert ja auch für Geld auf der Strasse.
Mehr Sichtbarkeit
Wegen Szenen wie diesen ist «Himmel über Zürich» kurzweilig und sehenswert: Man amüsiert sich in diesem Film, ohne dass jemand blossgestellt wird. Thümena und sein Team geben vielmehr spannende Einblicke in Welten, die ohne Filme wie diesen weit weniger sichtbar wären.
Kinostart: 30.11.2023