100 Sekunden lang ist es ein Flug wie jeder anderer für den Kapitän Chesley «Sully» Sullenberger, der kurz vor seiner Pension steht. Doch dann knallt’s plötzlich. Vogelschlag. Wildgänse sind in beide Triebwerke geflogen. Auf die Motoren ist kein Verlass mehr und das mitten über New York.
Ein Albtraum-Szenario für jeden Piloten. Nur das Kinopublikum wiegt sich in Sicherheit. Schliesslich ist Sully am Steuer, der ebenso nervenstarke wie bescheidene Volksheld…
Raffinierter Erzählfokus
Das «Wunder vom Hudson River» kennt jedes Kind. Das Publikum weiss von Beginn weg, dass alle Passagiere überleben werden. Trotzdem ist der Film höchst spannend, wie Tom Hanks im Interview erklärt:
«Der Film birgt viele Überraschungen. Jeder glaubt zu wissen, worum es geht: um die Landung auf dem Hudson. Doch die dauerte gerade einmal 208 Sekunden. Das ist nicht gerade abendfüllend!»
Die Macher von «Sully» wussten: Der Flug bzw. sein überstürztes Ende kann nicht das Zentrum des Films sein.
Regisseur Clint Eastwood beleuchtet in seinem jüngsten Drama darum vor allem das, was nach der Notwasserung geschah: Der gefeierte Pilot wurde von der Flugverkehrsbehörde ins Kreuzverhör genommen.
Keine Bruchlandung
Sully musste seine Notwasserung heftig verteidigen, nachdem Luftfahrtingenieure auf Basis der nackten Zahlen errechnet hatten: Das Erreichen einer Landebahn wäre möglich gewesen. Dies ist der Grundkonflikt des Films, den einem Tom Hanks mit seinem reduzierten Spiel verblüffend nahe bringt: Himmlischer Held oder Sündenbock? Die Fallhöhe ist riesig!
Der Oscar-verdächtige Film konfrontiert das Publikum eben nicht nur mit der Flut von Zuneigung, die Sully nach seiner Grosstat entgegenschwappte. Sondern auch mit dem rauen Wind, der dem Piloten seitens der Untersuchungsbehörde entgegenblies. Vor diesem Hintergrund reizt «Sully» das gesamte Gefühlsspektrum aus – und regt in manchen Szenen sogar zum Nachdenken an.
Sendung: SRF 1, 10vor10, 2.12.2016
Kinostart: 1.12.2016