Idrissa Akuna Elba – ein klingender Name, doch hierzulande wissen wohl die Wenigsten, ob sich dahinter eine Frau, ein Mann oder doch eher eine exotische Pflanze verbirgt. Der Kurzname, Idris Elba, hingegen dürfte zumindest aufmerksamen Serienfans längst ein Begriff sein: Der Darsteller von Drogenboss Stringer Bell in «The Wire», Charles Miner in «The Office» oder Lenny in «The Big C» ist mit seinen ein Meter neunzig eine charismatische Erscheinung, ein Bild von einem Mann, das sich einem nach erstmaligem Sehen im Kopf festsetzt. Kein Wunder besetzen Regisseure ihn mit Vorliebe als einschüchternde Führerpersönlichkeit mit vertrackter Psyche und hohem IQ. Der neue Star stammt aus Ost-London, ist schwarz und nebenbei erfolgreicher DJ und Musikproduzent.
Ab 9. Februar wird Elba auf SRF 1 in einer höchst prägnanten und kontroversen Rolle zu sehen sein: als Titelfigur im BBC-Dreiteiler «Luther». Der von Ehrgeiz getriebene, mit überdurchschnittlicher Intelligenz gesegnete Ermittler lebt und arbeitet nach seinem eigenen Moralkodex.
Der Albtraum jedes Vorgesetzten
Gleich zu Beginn der ersten Folge steht Detektivinspektor John Luther am Abgrund – im realen wie im übertragenen Sinn: Er blickt auf den pädophilen Serientäter, den er eben in einer wilden Verfolgungsjagd durch einen verlassenen Industriekomplex verfolgt hat und der nun in Todesangst an einem Eisengitter gut 10 Meter über dem Boden baumelt. Um Geständnisse zu erpressen und Fälle zu lösen, kennt Luther keine Grenzen, weder moralische, rechtliche noch menschliche. Er ist der Albtraum seiner Vorgesetzten. Der Täter stürzt in die Tiefe, kurz nachdem er Luther verraten hat, was dieser wissen wollte.
Das getriebene Naturell des titelgebenden Ermittlers, gepaart mit seiner detektivischen Brillanz, bilden das kraftvolle Zentrum der britischen Krimiserie, um das sich die Krimihandlung und die anderen Figuren drehen. Eine ebenbürtige Gegnerin bekommt er mit der eiskalten, hoch intelligenten Psychopathin Alice. Sie scheint wie magnetisch angezogen von diesem Polizisten, der ihr so erschreckend ähnlich ist. John Luthers egozentrisches Wesen und sein höchst volatiles, cholerisches Temperament machen den sozialen Umgang mit ihm praktisch unmöglich, seine Frau hält es nicht mit ihm aus, Beziehungen zu Kollegen scheitern. Die Grenzen zwischen Gut und Böse, Weiss und Schwarz verwischen sich immer wieder.
Bekannt als Dealer und Wirtschaftsstudent
Bekannt geworden ist Elba mit einer US-Serie, die ebenfalls gekonnt mit ebendiesen Grautönen spielte und damit die Grenzen des klassischen Thriller-Genres gesprengt und neue Massstäbe gesetzt hat: «The Wire». Baltimore ist der heruntergekommene Schauplatz der Serie, wo Drogendealer ihre «Corner» verteidigen, 10-Jährige als Drogenboten missbraucht werden und korrupte Polizisten wegschauen. Ein hartnäckiges Überwacher-Team versucht mit allen Mitteln, für etwas Ordnung zu sorgen. Vergeblich, denn jeder hat hier Dreck am Stecken. Und mittendrin agiert Elba als Russell «Stringer» Bell, rechte Hand von Drogenboss Barksdale. Obwohl auf der anderen Seite des Gesetzes agierend als Luther, sind sich die Figuren in ihrer Hingabe zu ihren Lebensaufgaben und in ihrer absoluten Zielgerichtetheit nicht unähnlich.
Stringer Bell ist nicht weniger skrupellos als sein Boss, stammt genauso wie er aus der Gosse. Doch er hat eine Vision, ein Ziel und die hartnäckige Intelligenz, dieses zu erreichen: Neben seiner Dealer-Tätigkeit studiert er Wirtschaft, denn er will seine Geschäfte reinwaschen und am Ende in der respektablen Gesellschaft der Stadt ankommen – wenn ihm bloss das dreckige Leben dabei nicht dazwischenfunken würde. Stringer Bell ist bei den Fans wohl – neben seinem unbequemsten Gegenspieler Omar Little (der schliesslich auch sein Verderben ist) – einer der am meisten diskutierten und geliebten Charaktere von «The Wire». Was für eine Rolle für Elba, den Londoner aus Hackney, der sich dafür erfolgreich den Baltimore Slang aneignete.
Vor der Kamera und hinter Plattentellern
1972 als Sohn einer Ghanaischen Mutter und eines Vaters aus Sierra Leone geboren, wuchs Idris Elba in East Ham im Osten Londons auf, wo er bereits als Teenager als DJ zu arbeiten begann. Unter dem DJ-Namen Big Driis (the Londoner) tritt er heute noch auf, arbeitet mittlerweile mit Grössen wie Jay-Z und betreibt ein eigenes R&B-Musiklabel. Neben der Musik begann sich Elba bereits in der High School für die Schauspielerei zu interessieren, nach der Schule bekam er ein Stipendium fürs National Youth Music Theatre. Anfang 20 bewarb er sich für erste Fernsehrollen, stellte sich als der «böse Schwarze» für rekonstruierte Kriminalfälle der Sendung «Crimewatch» vor die Kamera und war in der wenig erfolgreichen Soap «Family Affairs» zu sehen. Da es mit seiner Schauspielkarriere in England nicht vorwärtsging («zu wenig interessante Rollen für schwarze Männer»), lebt er seit 15 Jahren in den USA, hauptsächlich in Atlanta, in der Nähe seines Sohnes und seiner Ex-Frau. Mittlerweile findet er aber mühelos Jobs auf beiden Seiten des grossen Teichs.
Von Anfang an hat sich Elba gegen die typisch «schwarzen Rollen» gewehrt und gleichzeitig versucht, möglichst unterschiedliche Typen zu spielen. Mit der Zeit mit einigem Erfolg, aber nicht immer ohne Gegenwind: Die Fans des Marvel-Comics «Thor» liefen Sturm, als klar wurde, dass Regisseur Kenneth Branagh die grosse nordische Gottheit Heimdall mit einem Schauspieler mit afrikanischen Wurzeln besetzen wollte. Für Elba kein Problem: «Heimdall ist ein mythologischer Charakter, der einen fliegenden Hammer hat und Hörner auf dem Kopf. Und da bin ich als Darsteller unglaubwürdig? Elizabeth Taylor spielte Cleopatra, Ben Kingsley Gandhi.»
Neuer Bond?
Nach all den Jahren, in denen er sich mit Fernsehrollen einen Namen machte und als Nebendarsteller in Kinofilmen seinen Lebensunterhalt verdiente, scheint der charismatische Schauspieler nun endgültig in der Top-Liga angekommen: Nach Ridley Scotts «Prometheus» und neben dem Sequel zu «Thor» wird er demnächst im neuesten Sciencefiction-Spektakel von Guillermo del Toro «Pacific Rim» eine der Hauptrollen spielen und in «Mandela: Long Walk to Freedom» niemand geringeren als den südafrikanischen Freiheitskämpfer Nelson Mandela verkörpern. Dazu Elba: «Das ist eine grosse Verantwortung, fast, als würde man Jesus Christus spielen.» Der Höhepunkt der Karriere eines schwarzen Schauspielers also? Nicht ganz, denn längst träumt Idris Elba von einer überlebensgrossen (bis anhin strikt weissen) Kinolegende: Die Gerüchte, dass er der siebte Bond-Darsteller nach Daniel Craig werden könnte, halten sich hartnäckig - und er wäre wohl der Letzte, der sie dementieren würde.