- «A Cure for Wellness» spielt fast komplett in der Schweiz. Doch gedreht wurde der Film überwiegend in Deutschland.
- Lediglich zwei Tage filmte Regisseur Gore Verbinski im Bündnerland: in der Umgebung des Landwasser-Viadukts.
- Für Hollywoodproduktionen ist die Schweiz als Drehort unrentabel, da die Kosten hoch sind und nur offizielle Koproduktionen vom Bund finanziell unterstützt werden.
Wir kennen es alle: Man schaut einen Hollywoodfilm, der in der Schweiz spielt, und wundert sich über das sonderbare Bild, das da von unserem Land gezeigt wird. Meist liegt das daran, dass der Drehort nur entfernt schweizerisch aussieht und sich in Wirklichkeit irgendwo im Ausland befindet.
Gore Verbinskis Mystery-Horrorfilm «A Cure for Wellness» treibt dieses Prinzip auf die Spitze. Angesiedelt ist die aalglatte Schauermär in einem Bündner Kurort. Doch gedreht wurde bloss zwei Tage in den Alpen. Den Rest filmte Verbinski in Deutschland, vor allem auf der Burg Hohenzollern im Schwabenland. Aus Kostengründen, wie uns der etablierte Blockbuster-Regisseur im Gespräch versicherte.
Echt, gefälscht und dilettantisch falsch
Gore Verbinskis Ausweichen ins günstigere Umland ist leider keine Ausnahme, sondern eine gängige Vorgehensweise. Hollywood-Regisseure arbeiten nur sehr selten in der Schweiz.
2009 drehte Steven Soderbergh für den Comedy-Thriller «The Informant!» zwei Einstellungen in Zürich. Immerhin. Meistens läuft es nämlich so wie beim Action-Klassiker «The Bourne Identity»: Die Handlung spielt zwar in der Limmatstadt, doch wer genau hinschaut, merkt: Da stimmt was nicht. Kein Wunder: Der Dreh mit Matt Damon fand ja auch in Prag statt.
Richtig schmerzhaft wurde die Sache für ortskundige Zuschauer schliesslich 2010 bei «Wall Street: Money Never Sleeps». Auch hier musste die tschechische Hauptstadt als Downtown Switzerland herhalten.
Doch diesmal funktionierte alles eine Spur schlechter. Lokalpatrioten haben es Regisseur Oliver Stone bis heute nicht verziehen, dass er rote Trams durchs gefälschte Zürich schlängeln liess.
Kaum Anreize für Hollywood
«A Cure for Wellness» enthält immerhin einen Hauch echter Schweizer Bergluft. Um das Landwasser-Viadukt samt Umgebung zu filmen, mussten jedoch zwei Drehtage reichen. Länger hier zu bleiben, hätte sich für die Macher nicht gelohnt.
Hollywoodstudios rechnen in der Regel damit, vom Gastgeberland unterstützt zu werden, da dieses vom Werbeeffekt profitiert. Hierzulande kriegen aber nur offizielle Koproduktionen Geld vom Bund.
Ein Missstand, findet Roger Neuburger, der als einheimischer Produktionsbetreuer die Schweizer Locations für «A Cure for Wellness» startklar machte. Hollywood-Produktionen unter diesen Bedingungen in die Schweiz zu lotsen, sei ein Kampf.
Gefakt und gepimpt: Schöne neue Schweiz
Ökonomisch betrachtet leuchtet es also durchaus ein, dass Hollywoodfilme wie «A Cure for Wellness» unser Land als Drehort meiden.
Schweizer Kinoherzen tröstet diese Einsicht allerdings wenig: Sie werden angesichts der künstlich kreierten Alpenwelt bluten und das Ganze als Betrug werten.
Regisseur Gore Verbinski begegnet diesem Vorwurf selbstbewusst: «Betrug ist unsere Paradedisziplin. Das liegt in der Natur der Sache – schliesslich arbeiten wir im Showbusiness!» Das stimmt natürlich und wird dem globalen Massenpublikum als Antwort genügen.
Für helvetische Puristen ist der Film dagegen eine einzige Zumutung. Sogar in den Szenen, die hier gedreht wurden, ist die Schweiz kaum wiederzuerkennen. Die Computertricks erinnern an Photoshop-Routinen und lassen selbst ein Wahrzeichen wie das Landwasser-Viadukt fremd erscheinen.
Backdrop Switzerland
«A Cure for Wellness» beweist primär, dass die Schweiz in Hollywood praktisch nur noch als Fälschung existiert. Als konkurrenzfähige Film-Location ist sie längst abgetaucht.
Man kann das Ganze freilich auch positiv betrachten: Mit seiner herrlich überzeichneten, artifiziell wirkenden Kulisse feiert die Schweiz dank Gore Verbinskis Mystery-Horrorfilm ein bildgewaltiges Kino-Comeback.
Für diese Form der Künstlichkeit kennt die Traumfabrik sogar einen Fachausdruck: Backdrop. Damit meint man ursprünglich ein bemaltes Stück Stoff im Hintergrund, das als Kulisse dient. Cornelius Schregle hat über dieses Thema kürzlich einen lesenswerten Bildband publiziert: «Backdrop Switzerland».
Am meisten Wirkung erzielt «A Cure for Wellness» darum, wenn man den kulissenhaften Film als modernen Backdrop betrachtet – statt als rotes Tuch für Puristen. Wer sich auf das irre Schweiz-Bild und die dick aufgetragene Kritik am Gesundheitswahn konzentriert, wird dem Stoff einiges abgewinnen können.
Kinostart: 23.2.2017