Weniger standesgemäss könnte diese Freundschaft nicht sein: Sie alt, er jung. Sie Britin, er Inder. Sie die Königin, er ein Diener. Und trotzdem hielt die platonische Liebe zwischen Queen Victoria und Abdul Karim 14 Jahre, bis zu ihrem Tod.
Die Geschichte von Abdul und Victoria kommt mit Judi Dench (82) und dem Bollywood-Star Ali Fazal (30) auf die Leinwand. Sie beruht auf wahren Begebenheiten.
Vom Diener zum Lehrer und Vertrauten
Der 24-jährige Inder Abdul Karim wird 1887 nach England geschickt. Dort soll er der 68-jährigen Königin Victoria ein Geschenk zum 50. Thronjubiläum überbringen. Damals steht Indien unter britischer Herrschaft.
Die Königin ist sofort verzaubert von Abdul, macht ihn erst zu ihrem persönlichen Diener, dann zu ihrem Lehrer. Er verleiht ihr neuen Lebensmut – sehr zum Leidwesen des Hofstaats.
Dieser Hofstaat, angeführt von Victorias Sohn Bertie, ist es auch, der 1901 nach dem Tod der Königin alles daransetzt, die Geschichte zu vertuschen. Er verfrachtet Abdul zurück nach Indien. Alle Gegenstände und Briefe, die ihn mit Victoria in Verbindung bringen, werden verbrannt.
Curry gesucht, Abdul gefunden
Erst 2010 wurde die Geschichte publik – durch Zufall. Die indische Journalistin Shrabani Basu recherchierte eigentlich für ein Buch über Curry. Ihre Nachforschungen führten sie auch an den britischen Hof, denn Königin Victoria war eine Liebhaberin des indischen Gerichts.
Hier stiess Basu auf Victorias Tagebücher, verfasst in der Sprache Urdu. Darin entdeckte die Journalistin die Geschichte der Königin und ihres engen Vertrauten.
Provokante Queen, cooler Abdul
Regisseur Stephen Frears («The Queen», «Philomena») hat sie verfilmt. Das Bild, das er zeichnet, ist klar: Die Königin und Abdul sind die Guten, die Fortschrittlichen, der Hofstaat die Schlechten, Zurückgebliebenen.
Es tut gut, zuzuschauen, wie Abdul trotz aller Anfeindungen cool bleibt, wie die alternde Queen ihre Umgebung genussvoll mit ihrem Freund provoziert.
Ein Genuss
Auf dieses gute Gefühl hat es Frears angelegt. «Die Leute wollen keinen unsympathischen Abdul sehen», sagt er im Interview mit SRF. «Der Darsteller Ali Fazal sieht auch viel besser aus als der echte Abdul Karim.»
Auch Judi Dench ist als patzige Königin ein Genuss. Sie hat Victoria vor 20 Jahren schon einmal verkörpert. «Mrs. Brown» erzählte damals die erste skandalöse Beziehung der Queen – zum schottischen Knecht John Brown.
Barbarische britische Herrschaft
Während John Brown Ecken und Kanten hatte, bleibt Abdul herzig, freundlich, geschliffen. Seine Gedanken, seine Motive, bleiben weitgehend unerwähnt. Ist er berechnend? Was genau empfindet er für die Königin? Und was denkt er über die Regentschaft Englands über sein Heimatland?
Regisseur Stephen Frears meint: «Die britische Herrschaft über Indien war monströs. Das Land war sehr reich – und dann kamen wir und haben ihnen alles gestohlen.» Schade, dass Frears seine kritische Haltung nicht deutlicher in den Film einfliessen liess. Doch unterhalten wird man als Zuschauer von «Victoria & Abdul» allemal.
Kinostart: 28. September 2017