Jede Buchverfilmung steht vor demselben Problem: Damit der Stoff als Film funktioniert, muss die Geschichte gerafft und Unsichtbares sichtbar gemacht werden. Bei Romanen, in denen die Handlung der Motor ist, ist die Aufgabe einfacher als bei Stoffen, in denen die innere Entwicklung der Figuren im Zentrum steht.
«Nachtzug nach Lissabon» gehört mit seinen endlosen inneren Monologen und philosophischen Exkursen zweifellos zur letzteren Gruppe. Es geht um den Berner Lateinlehrer Raimund Gregorius (gespielt von Jeremy Irons), der plötzlich aus seinem Alltagstrott ausbricht, um einen portugiesischen Schriftsteller zu suchen.
Charmanter, aber ungreifbarer Jeremy Irons
Jeremy Irons verleiht der Hauptrolle viel Charme, vielleicht zu viel, um den als Langweiler beschriebenen Gregorius glaubhaft zu verkörpern. Durch seine omnipräsente Kommentarstimme wirkt der Held der Geschichte als Figur zudem seltsam ungreifbar. Fast so, als ob er seine Reise nur träumen würde.
Schliesslich wirken auch die Geschehnisse allzu unwirklich: Da macht sich ein Schweizer in Portugal auf die Spuren eines unbekannten Schriftstellers und alle scheinen nur auf ihn gewartet zu haben. Jede Dienstmagd und jeder Klosterbruder öffnet ihm Tür und Tor, obwohl Gregorius bei seinen Recherchen tief in die Abgründe der jüngeren portugiesischen Geschichte dringt.
Heldenreise eines Schweizer Bünzlis
Schnell wird klar, dass der gesuchte Autor als Revolutionär im Kampf gegen die brutale Salazar-Diktatur Mitte der 1970er Jahre sein Leben verlor. Wie es dazu kam, sehen wir in wunderschön gefilmten Rückblenden voller Liebe, Täuschung und Verrat.
Wenn Gregorius am Ende gesteht, wie sehr er diese Intensität in seinem Leben vermisst, trifft er damit auch einen wunden Punkt des Films: In der Haupthandlung, der wundersamen Heldenreise eines Schweizer Bünzlis, geschieht für einen knapp zweistündigen Kinofilm schlicht zu wenig.
Deutsch-englisch-portugiesisches Sprach-Wirrwarr
Als viel grösseres Problem entpuppt sich aber die Sprache der Originalfassung. Dass Jeremy Irons darin als Schweizer geschliffenes Englisch spricht, schluckt man dank seiner wunderbaren Stimme ohne Murren.
Wenn jedoch Martina Gedeck als gewissenhafte deutsche Schauspielerin versucht, Englisch mit portugiesischem Akzent zu sprechen, sorgt das für unfreiwillige Lacher. Noch absurder wird die ganze Angelegenheit bei Bruno Ganz, der trotz unverkennbar schweizerischer Diktion seiner englischen Textzeilen einen Portugiesen verkörpert.
Allen Freunden des Sehnsuchts-Romans sei darum für einmal nicht das Leinwand-Original, sondern die deutsche Synchronfassung empfohlen.