In Hollywood erzeugt ein durchschnittlicher Film rund 500 Tonnen CO₂-Emissionen – so viel wie etwa 130 Flüge von hier nach New York. Für die Produktion eines deutschen Tatorts rechnet man mit etwa 140 Tonnen CO₂.
In Deutschland will nun das neue Label «Green Motion» ab 2022 ökologische Mindeststandards setzen. Initiator Carl Bergengruen sagt: Wir wissen genau, wo wir einsparen können.
SRF: Als langjähriger Fernsehfilmredaktor und -produzent kennen Sie die Situation. Wo verursacht die Branche am meisten CO₂?
Carl Bergengruen: Bei allen Film- und Fernsehproduktionen werden viel höhere CO₂-Emissionen verursacht, als wir bisher gedacht haben. Eine französische Studie hat gezeigt, dass der TV- und Filmsektor so hohe CO₂-Emissionen hat wie die gesamte Telekommunikationsbranche.
Das war für mich auch der Wake-up-call, um zu sagen: Da müssen wir etwas tun. Deswegen habe ich den Arbeitskreis «Green Shooting» mit den grossen Sendern, Produktionsfirmen und Förderern gegründet.
Waren die Produzentinnen, Produzenten, Sender und Filmförderer von Anfang an am Thema Klimaschutz interessiert oder mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten?
Die Selbstverpflichtung, die die Produzenten, Förderer und Sender jetzt eingehen, ist freiwillig. Sie kommt aus der Branche. Es gibt keinen staatlichen Zwang, alle sind daran interessiert. Das Interesse an diesem Thema ist im Laufe der letzten Jahre mit dem fortschreitenden Klimawandel enorm gewachsen.
Einige dieser 21 Vorgaben sind beispielsweise: kein Einweggeschirr mehr auf Dreh, LED-Scheinwerfer statt konventionelle Scheinwerfer, Bahnreisen statt Kurzstreckenflüge, mehr vegetarisches Essen beim Catering – von welcher dieser Vorgaben versprechen Sie sich am meisten?
Es muss ein CO₂-Rechner genutzt werden. Wir wissen sehr genau, wo die grössten Hebel sind. Einerseits bei den Reisen: Bahn statt Flüge bringt enorm viel.
Wir haben ein klares System, um Missbrauch zu vermeiden.
Genauso ist es bei der Energie: Wenn Sie auf Ökostrom umsteigen und auf diese Dieselgeneratoren ohne Russpartikelfilter verzichten, dann leisten Sie auch sehr viel. Der dritte grosse Hebel sind die Unterbringungen in Hotels. Auch die sind grosse CO₂-Treiber.
Wie garantieren Sie, dass die Massnahmen eingehalten werden?
Wir haben ein klares System, um Missbrauch zu vermeiden. Das fängt damit an, dass die Vorgaben so eindeutig und klar sind, dass es keine Spielräume gibt, um sie zu umgehen.
Auch haben wir für die Vergabe des Logos «Green Motion» bei der Firma PricewaterhouseCoopers eine Prüfstelle eingerichtet. Diese macht Stichproben. In allen Fällen muss die Produktionsfirma einen Abschlussbericht abgeben und Auskunft darüber geben, ob sie diese 18 von 21 verpflichtenden Vorgaben eingehalten hat oder nicht.
Diesen Abschlussbericht prüft dann der an der Produktaion beteiligte Sender, der Video-on-demand-Dienst oder der Förderer. In jedem Fall ist es nachher Sender oder Förderer, der dann die Verwendung des Logos durch die Produktionsfirma freigibt. Das alles zusammen ist ein effektives System der Kontrolle, ohne zu aufwendig zu sein.
Die «Green Motion»-Initiative ist eine Vereinbarung der deutschen Film- und Fernsehbranche. Sind auch schon Gespräche mit Produzentinnen und Produzenten aus der Schweiz gelaufen?
Im Moment noch nicht. Wir hatten alle Hände voll zu tun, um das innerhalb Deutschlands zu organisieren und sind erst jetzt an die Öffentlichkeit getreten. Wir sind sehr offen für Gespräche. Jetzt müssen wir aber erst mal die nächsten Tage und Wochen das System in Deutschland implementieren.
Das Gespräch führte Raphael Zehnder.