Bereits für seinen ersten Spielfilm, das Gangsterdrama «À bout de souffle», wurde Godard 1960 in Berlin mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet. Sein Debüt verblüffte Publikum und Presse gleichermassen. Gedreht wurde an Originalschauplätzen statt in einem Studio – unter natürlichem Licht mit einer Handkamera. Gängige Regeln der Kontinuität wurden im Schnitt bewusst ignoriert.
Heute gilt «À bout de souffle» als früher Klassiker der «Nouvelle Vague». So nannte sich die cineastische Bewegung, die den damals herrschenden konservativen Status Quo herausforderte.
Deren junge, frankophone Filmemacher verstanden sich als Autoren. Ihre Abkehr von traditionellen Erzählformen und Filmtechniken revolutionierte das Kino nachhaltig.
Eine neue Welle
Die berühmtesten Exponenten der Bewegung lernten sich in den 1950er-Jahren in Pariser Ciné-Clubs kennen. Dazu gehörten neben Jean-Luc Godard auch die späteren Regisseure François Truffaut, Claude Chabrol und Jacques Rivette. Sie alle arbeiteten als Filmkritiker, ehe sie sich hinter die Kamera wagten.
In der Aufbruchsstimmung der «Nouvelle Vague» drehte Godard einige seiner beliebtesten Filme. Zum Beispiel die Kriminalkomödie «Bande à part», nach der Quentin Tarantino – ebenso ein Fan von Filmzitaten wie Godard selbst – seine erste Produktionsfirma benannt hatte.
Titel für die Ewigkeit
Ebenfalls unvergessen: die radikale Alltags-Collage «Deux ou Trois choses que je sais d'elle» oder die romantische Grossbürgertumskritik «Pierrot le fou». Diese Titel sind nur drei Beispiele für Filme Godards, die sich auf unzähligen internationalen Bestenlisten wiederfinden.
Seine Ablehnung gegen alles, was «bourgeois» war, lässt sich wohl anhand der eigenen Biografie erklären: Jean-Luc Godard wurde am 3. Dezember 1930 in wohlhabende Verhältnisse hineingeboren. Seine Mutter Odile gehörte einer Pariser Bankiersfamilie an, sein Vater Paul war Arzt.
Als Jean-Luc vier Jahre alt war, zog die Familie ins Waadtland. Nach dem Krieg kehrte er nach Paris zurück und schrieb sich für ein Anthropologie-Studium an der renommierten Sorbonne-Universität ein. Aufgrund seiner wachsenden Begeisterung fürs Kino blieb er den Vorlesungen allerdings weitgehend fern.
Abkehr vom Mainstream
Zum Ausklang der 1960er-Jahre wandte sich Godard mit seinem Schaffen zunehmend vom Mainstream ab. Seine Filme wurden politischer in ihrer Botschaft und radikaler in ihrer Form. Das galt auch für ihn selber. Godard gehörte zur radikalen Linken und war, wie damals viele, propalästinensisch. Die Antisemitismus-Vorwürfe waren nicht grundlos, selber hat er sich nicht als Antisemit gesehen.
Mit seinem Landsmann Jean-Pierre Gorin gründete er die «Dziga Vertov Group». Ein Kollektiv, dessen Filme sich durch ihre marxistische Ideologie und den Einsatz von Brecht’schen Erzählformen von der Masse abhoben.
Das bekannteste Werk aus dieser Phase ist wohl das Klassenkampf-Drama «Tout va bien» mit Jane Fonda. In diesem wird sowohl im buchstäblichen als auch im übertragenen Sinn wiederholt die vierte Wand durchbrochen.
Ein Visionär bis zum Schluss
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts legte Godard wieder mehr Wert auf die Ästhetik seiner Filme. Von der Gesellschaftskritik hat er sich aber nie ganz verabschiedet.
Sein 3D-Experiment «Adieu au langage» gewann 2014 in Cannes den Jury-Preis. Und auch sein letzter Film, der Essay «Le livre d’image», wurde dort vier Jahre später mit einer Palme prämiert.
Nun ist Godard, der dem Kult um seine Person nie wirklich etwas abgewinnen konnte und auch deshalb dem Mainstream-Kino den Rücken kehrte, im Alter von 91 Jahren in Rolle (VD) gestorben. Das bestätigten seine Ehefrau und seine Produzenten.