Das Bundesamt für Kultur will ausländische Streamingdienste zur Kasse bitten. Vier Prozent ihrer Einnahmen sollen sie in das Schweizer Filmschaffen investieren. Der Nationalrat fordert nun, den Anteil auf nur ein Prozent festzulegen.
Für den Filmjournalisten Georges Wyrsch ist klar: «Für die Branche selbst ist dieses sogenannte Lex Netflix eine wirklich notwendige Anpassung an eine Wirklichkeit: Nämlich, dass Filme heutzutage immer mehr digital konsumiert werden.» Das heisst, Menschen wollen Filme auf ihren Geräten sehen, und zwar dann, wenn sie Zeit dafür haben.
Auf diesem Markt liege die Schweiz zurück, so Wyrsch. «Es ist ein Manko, dass es im internationalen Streaming-Bereich zu wenig Schweizer Filmproduktionen gibt, die auch im Ausland laufen und beachtet werden.»
In anderen Ländern üblich
Es sei normal und werde auch im Ausland so gehandhabt, dass ein Gesetz die Leute zur Kasse bittet, die grosses Geld machen im Filmgeschäft, erklärt Wyrsch.
Dass sich im Nationalrat nun das bürgerliche Lager durchgesetzt hat und die Streaming-Plattform nur ein Prozent ihrer hiesigen Einnahmen investieren sollen, ist für Georges Wyrsch verständlich. «Vier Prozent war eine etwas hochgesteckte Vorgabe. Man wusste, dass das Geschäft kontrovers und die Ablehnung in der Schweizer Öffentlichkeit stark ist.»
Schweizer Film hat keinen guten Ruf
Diese Ablehnung basiere auf einfachen Gründen, so Wyrsch. Die Konsumenten denken sich: «Netflix schaue ich, Netflix geniesse ich, Netflix bezahle ich auch gerne.» Nun soll Netflix Geld weggenommen und damit etwas finanziert werden, was viele Menschen selten oder kaum schauen: Schweizer Filmschaffen.
«Leider geniesst der Schweizer Film einen nicht wahnsinnig guten Ruf in der breiten Bevölkerung.» Unter diesen Umständen sei die Ein-Prozent-Vorgabe nicht schlecht. Zudem findet Wyrsch: «Jetzt muss klarer kommuniziert werden, dass die Branche nicht einfach finanziell unterstützt wird, sondern dass sie so auch klar besser werden soll.»
Wie viel diktiert Netflix?
Die Frage, die sich nun viele stellen: Haben die Streaming-Dienste ein Mitspracherecht bei der Produktion, wenn sie Schweizer Filme mitfinanzieren? Georges Wyrsch glaubt, dass dies von der Grösse der Beteiligung abhängen werde. Wenn einem Streaming-Anbieter vier Prozent abverlangt würden, dann fordere dieser sicher ein, dass er zu einem hohen Grad mitbestimmen darf, was produziert wird.
Netflix habe ein sehr grosses Wissen, wie das Publikum funktioniere und was sich bereits bewährt hat, sagt der Filmjournalist. «Netflix wird wahrscheinlich Krimis wollen oder ein ‹Heidi›, Filme, die man auch in Korea zeigen kann. Wenn die Schweiz das bieten kann, dann investiert Netflix ziemlich gerne.»
Einer gewinnt, einer verliert
Wyrschs grösstes Fragezeichen: Wer bekommtt am Ende wirklich das Geld? Filmbranche und Filmförderung seien breite Sparten, die vieles beinhalten: Verleihfirmen, Kinoketten, Postproduktionsfirmen und auch die Streaming-Plattformen selbst.
Die Interessen dieser verschiedenen Player gehen auseinander. «Wenn das zukünftige Geld für Schweizer Serien genutzt wird, die aber nur bei einem Anbieter laufen und überhaupt nie im Kino, dann gibt es Verlierende in diesem Geschäft.» Umgekehrt sei es das Gleiche, wenn der Bund zukünftig bei Netflix und Disney Gelder eintreibe und damit aber kleine Schweizer Arthouse-Kinofilme finanziere, die «bei allem künstlerischen Wert nur ganz wenig Leute erreichen. Das versteht dann auch niemand», bilanziert Wyrsch.