Nachdem Lily Gladstone den Golden Globe für ihre Leistung in «Killers of the Flower Moon» entgegennahm, wandte sie sich ans Publikum – auf Siksiká. Diese Sprache wird im Reservat der Blackfeet-Gemeinschaft im Nordwesten des US-Bundesstaates Montana gesprochen. Eine Ehre für die indigene Bevölkerung.
In Martin Scorseses «Killers of the Flower Moon» spielt die 37-Jährige eine vermögende Frau der indigenen Osage-Nation. Diese war 1897 plötzlich zu Reichtum gekommen, als auf deren Land in Oklahoma Erdöl gefunden wurde.
Paradebeispiel indigener Repräsentation
Der dreieinhalbstündige Historienthriller setzt die Messlatte hoch und ist ein Paradebeispiel für die Repräsentation von Ureinwohnern in Hollywood-Filmen. Das liegt nicht zuletzt an der akribischen Recherche, der engen Zusammenarbeit mit Menschen der Osage-Nation, kulturellen Beratern, dem Osage-Museum und einem Sprachzentrum.
Diese Kollaboration auf Augenhöhe war nicht immer selbstverständlich. Die Darstellung von Native Americans im Film folgte lange Zeit anderen Motiven.
Klischees standen an der Tagesordnung
Ende des 19. Jahrhunderts traten Native Americans häufig in Wild-West-Shows auf. Ab 1882 tourte Buffalo Bill mit «Rodeo-Cowboys» und Native Americans wie dem Sioux-Häuptling Sitting Bull durch die USA und Europa. Dabei entstanden viele Prototypen von Indigenen-Stereotypen: das Leben in Tipis, das Skalpieren von Feinden und ein wildes Verhalten.
Mit der Zeit etablierte sich der Western als beliebtes Genre. «In Western wurde häufig die Westwärts-Bewegung der Siedler dargestellt, die in eine kriegerische Auseinandersetzung mit den umliegenden Indigenen kommen», sagt Sonja Schierle, Mitbegründerin des Nordamerika-Filmfestivals in Stuttgart.
«Es ging ums Schlagen und Schiessen, aber über die wahre indigenen Kulturen hat man nichts erfahren.» Western-Filme wie John Fords «The Searchers» verfestigten das Image der blutrünstigen «Primitiven» gegenüber den «heroischen Cowboys», die das Land aufblühen liessen.
Durchbruch in den 1990er-Jahren
Als im Zuge der Bürgerrechtsbewegung 1968 der Indian Civil Rights Act verabschiedet wurde, begann eine realistischere Darstellung von Native Americans auf der Leinwand. «Die Menschen haben protestiert und darauf gedrängt, ihre Sicht darzustellen», sagt Schierle. Ab den 1970er-Jahren waren mehr und mehr indigene Amerikaner an den Filmproduktionen beteiligt.
Als Durchbruch galt 1990 die Literaturverfilmung «Der mit dem Wolf tanzt», in dem indigene Schauspieler erstmals in ihrer eigenen Sprache zu hören waren. «Es ist lächerlich, dass es so lange gedauert bis man den Mut hatte, diese Sprachen öffentlich zu machen», so Schierle. Diese Tatsache führt sie auch auf die Unterdrückung indigener Kulturen zurück: Kinder wurden in Internate gesteckt, in denen sie Englisch sprechen mussten und erfuhren harte Bestrafungen oder Missbrauch.
Und heute? «Indigene sprechen vermehrt für sich und stellen sich in ihrer gewünschten Form dar», meint Schierle. Das ist auch höchste Zeit: Denn aufgrund der jahrzehntelangen falschen Darstellung, wissen viele kaum etwas über indigene Kulturen. Das ändert sich nun.