Nach Abschluss der Filmschule der New York University und ersten eigenen kleinen Filmprojekten ging Martin Scorsese zu Beginn der 1970er-Jahre nach Hollywood. Dort freundete er sich sehr schnell mit anderen jungen Wilden an: mit Francis Ford Coppola, George Lucas und Steven Spielberg.
Figuren im Fokus
Jeder von ihnen sollte in den darauf folgenden Jahren auf seine Weise Hollywood revolutionieren. Wobei Scorseses Ansatz wahrscheinlich der radikalste war.
Während das klassische Hollywood in erster Linie Geschichten erzählte, interessierte sich Scorsese viel mehr für Figuren, «Characters».
Bewunderung für Gangster
Schon als kleiner Junge war Scorsese fasziniert von den mafiösen Figuren in seinem New Yorker Viertel Little Italy. Immer wieder hat er erzählt, wie sehr er die nachbarschaftlichen Gangster nicht nur gefürchtet, sondern auch bewundert habe.
So konstruierte er seine Filme vor allem um zwiespältige Figuren, wie den von Robert De Niro gespielten «Taxi Driver» (1976).
Der Kampf ums Geld
Mit seinem dreckigen, überhöhten Realismus revolutionierte Scorsese den amerikanischen Autorenfilm, während Coppola, Lucas und Spielberg den modernen Blockbuster erfanden, mit «The Godfather» (1972), «Jaws» (1975) oder «Star Wars» (1977).
Anders als seine kommerziell erfolgreichen Blockbuster-Kollegen musste Martin Scorsese bei jedem seiner Filme wieder von vorne um die Finanzierung kämpfen.
Späte Oscar-Ehre
Und obwohl er seit den späten 70er-Jahren als grösster lebender amerikanischer Regisseur seiner Generation gilt, musste er auf die offizielle Anerkennung Hollywoods – den Oscar – lange warten.
Nominiert war er fast 30 Jahre lang immer wieder. Aber erst für «The Departed» sprachen ihm die Kollegen der Academy schliesslich 2007 endlich den Regiepreis zu.
«The greatest director of all times»
Im Hinblick auf seinen 80. Geburtstag bekunden Kolleginnen und Kollegen wie Francis Ford Coppola, Woody Allen, Lynne Ramsay oder Kelly Reichardt dem «greatest director of all times» ihren Respekt.
Gleichzeitig stösst Scorseses umstrittene Aussage, Marvel-Superheldenfilme seien nicht «cinema» (Kino-Kunst), sondern eher Vergnügungsparks, vor allem bei jüngeren Fans auf Gegenwind. Die Empörung darüber war 2019 so gross, dass der Meister sich in der New York Times ausführlich erklärte.
Das Kino, das er und seine Generation bewunderte und machen wollte, habe das Risiko gesucht, die Überraschung: «Es ging um Charaktere – die Komplexität der Menschen und ihre widersprüchliche und manchmal paradoxe Natur. Die Art und Weise, wie sie einander verletzen und lieben können und plötzlich mit sich selbst konfrontiert werden.»
Da ist er wieder, der Meister, der lieber menschlichen Figuren in ihre Widersprüche folgt, als einer Story. Eine Charakterisierung, die er als Mensch und Künstler auch selbst erfüllt.